Erster Krankheitstag ohne Lohn: Das sagt die Schweizer Politik
In Deutschland wird ein «Karenztag» gefordert, um Absenzen in den Griff zu bekommen. In der Schweiz wird dies kontrovers diskutiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Karenztag: Am ersten Krankheitstag soll der Lohn gestrichen werden.
- Dies fordert der Chef der deutschen Allianz-Versicherung, um Milliarden-Kosten zu sparen.
- In der Schweiz gehen dazu die Meinungen auseinander – und Allianz Suisse entwarnt.
In Deutschland sorgt eine Forderung des Allianz-CEOs Oliver Bäte für Furore: Gemäss dem Versicherungs-Chef soll am ersten Krankheitstag kein Lohn bezahlt werden.
So soll der hohen Anzahl an Krankheitstagen Einhalt geboten werden. Denn darin sei Deutschland Weltmeister – und das koste Milliarden der Sozialausgaben.
Tatsächlich sind 20 Krankheitstage pro Jahr wie in Deutschland sehr viel. In der Schweiz sind es nicht einmal die Hälfte. Doch als 2022 der Wert auf 9,3 Tage emporschnellte, erschraken doch einige ob diesem – für unsere Verhältnisse – Rekordwert. Wäre ein «Karenztag» (der erste Krankheitstag wird nicht bezahlt), wie ihn Bäte vorschlägt, auch für die Schweiz eine Option?
Gegen «Montags- und Freitagsabwesenheit»
Bei den Gewerkschaften Deutschlands sorgt Bäte mit seiner Forderung für Entsetzen.
Doch solche Karenztage seien bereits heute in der Schweiz möglich, gibt Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner zu bedenken. «Diverse GAV haben das bereits umgesetzt und sehen einen, zwei oder sogar drei Karenztage vor.»
Dies unterstütze er, denn solche Regelungen trügen dazu bei, Missbrauch zu verhindern, findet Rechsteiner. «Dies ist ein adäquates Mittel, wenn in Unternehmen beobachtet wird, dass eine gehäufte Montags- und Freitagsabwesenheit vorhanden ist.»
Grünen-Weichelt: «Kann auch gefährlich sein»
«Wichtig wäre eine wissenschaftliche Untersuchung, warum die Mitarbeitenden krank sind», regt dagegen Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt an. Allenfalls gebe es auch Verbesserungspotential am Arbeitsplatz, damit die Gesundheit der Mitarbeitenden verbessert werden könne.
Allianz-Chef Oliver Bäte will mit Karenztagen Milliarden einsparen, um sie im Gesundheitswesen anderweitig und vor allem sinnvoller einsetzen zu können. Doch Weichelt warnt vor genau dem umgekehrten Effekt. «Kranke Mitarbeitende arbeiten zu lassen, kann auch gefährlich sein, denken wir ans Gesundheitswesen.»
Denn wer aus Angst vor Lohneinbussen die halbe Belegschaft ansteckt, sorgt sicher nicht für eingesparte Milliarden.
Entwarnung gibt es indes von Allianz Suisse – mit einem Vorbehalt, mahnt Mediensprecherin Nadine Schumann: Man könne sich ausschliesslich zur Situation in der Allianz Suisse äussern und nicht zur allgemeinen Lage in der Schweiz. Doch gebe es keine entsprechenden Überlegungen zu Karenztagen auch für die Schweiz.
«Zwar haben die gesundheitsbedingten Absenzen seit der Covid-19-Pandemie wieder etwas zugenommen», bestätigt auch Schumann. Von einer starken Zunahme könne bei der Allianz Suisse aber nicht die Rede sein.