Feuerwerk

«Geht um Toleranz» – Corinne Meister hat genug von lautem Feuerwerk

Kaspar Schwarzenbach
Kaspar Schwarzenbach

Bern,

Im Interview erklärt Corinne Meister vom Komitee der Volksinitiative «Für eine Einschränkung von Feuerwerk», weshalb lautes Feuerwerk nicht mehr zeitgemäss sei.

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«Fiire statt Füüre» – in der Berner Altstadt gilt auch am 1. August ein generelles Feuerwerksverbot. Eine Volksinitiative fordert eine landesweite Einschränkung von Feuerwerk. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Volksinitiative «Für eine Einschränkung von Feuerwerk» biegt auf die Zielgerade ein.
  • Im Interview mit Nau.ch erklärt Corinne Meister vom Initiativkomitee, was sie antreibt.
  • Im Abstimmungskampf hofft die St.Gallerin auf Unterstützung vonseiten grosser Parteien.

Jedes Jahr das gleiche Spiel: Freunde des Feuerwerks können sich nicht auf zwei Tage im Jahr beschränken. Auch heuer knallte es zum Nationalfeiertag bereits Tage im voraus – und wohl auch Tage nachher.

Die anhaltende Knallerei erhellt nicht nur den Nachthimmel, sie erhitzt auch manches Gemüt. Empfindliche Menschen und Tiere leiden unter der Lärmbelastung, die Umwelt wird verschmutzt. Corinne Meister hat genug: Seit dem 3. Mai 2022 sammelt die 48-Jährige Unterschriften für die eidgenössische Volksinitiative «Für eine Einschränkung von Feuerwerk».

Corinne Meister Feuerwerks-Initiative
Corinne Meister ist Mitglied im Initiativkomitee der Volksinitiative «Für eine Einschränkung von Feuerwerk» – im Interview mit Nau.ch erklärt die Tierfreundin, was sie antreibt. - zVg

Nau.ch: Frau Meister, Sie sind Informatikerin mit einem Herz für Tiere – Sie haben einen Hund, vier Katzen und Hühner. Sie wissen, wie sensibel Tiere auf Feuerwerkslärm reagieren. Wie schädlich ist Feuerwerk für Mensch, Tier und Umwelt?

Corinne Meister: Viele Haus- und Hoftiere leiden unter der Lärmbelastung – gestresste Tiere geraten schnell in Panik oder verkriechen sich. Oft sind sie nur sehr schwer zu beruhigen, teilweise müssen die Halter auf Medikamente zurückgreifen, um ihre Vierbeiner zu beruhigen. Andere verlassen das Land, buchen schalldichte Hotelzimmer oder ziehen sich in die Berge, ihre Keller oder gar in Luftschutzräume zurück: Asthmatiker können oft tagelang nicht lüften und müssen in ihrer Wohnung bleiben. Es geht hier auch um die Toleranz mit unseren Mitmenschen.

Nau.ch: Wie sieht es bei Wildtieren aus?

Meister: Bei Wildtieren verhält es sich ähnlich – nur sieht das dort niemand, weshalb dies wohl stark unterschätzt wird. Dennoch zeigen beispielsweise Videoaufnahmen immer wieder, wie sehr diese Tiere unter dem Lärm leiden.

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Aufgebrachte Turmfalken im Falkennest auf dem Kamin der KVA Josefstrasse in Zürich während des Feuerwerks zum «Züri Fäscht» – das Video wurde am 7. Juli 2023 aufgenommen. - Stadt Zürich Falkenkamera

Nau.ch: Leidet auch die Umwelt unter Feuerwerk?

Meister: Gemäss dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) sind rund zwei Prozent der gesamten Feinstaubbelastung hierzulande auf Feuerwerk zurückzuführen. Und Sie müssen bedenken, dass diese beträchtliche Menge innerhalb von wenigen Tagen zusammenkommt – die Umweltbelastung ist gross. Hinzu kommt der ganze Müll, der durch Feuerwerk produziert wird.

Nau.ch: Bereits heute gilt in vielen Gemeinden der Schweiz ein generelles Feuerwerksverbot mit Ausnahmen für den 1. August und den 31. Dezember – reicht das nicht?

Meister: Nein, das reicht nicht – dass die Belastung nur an zwei Tagen im Jahr besteht, stimmt einfach nicht. Natürlich ist es schön, wenn sich gewisse Gemeinden bereits jetzt hinter Einschränkungen stellen. Aber die Umsetzung derselben gestaltet sich oft schwierig – sobald der Verkauf beginnt, beginnt auch das Gechlöpfe. Das wird sich erst mit einer generellen Einschränkung des Verkaufs an Privatpersonen ändern.

Nau.ch: Feuerwerksverkäufer sind im grossen Ausmass von privatem Feuerwerk abhängig. Was sagen Sie zu Menschen, die sich durch Ihre Initiative in ihrer Existenz bedroht sehen?

Meister: Ehrlich gesagt habe ich wenig Mitleid. Alle anderen Branchen müssen ihre Produkte zunehmend nachhaltiger, umweltschonender und moderner gestalten. Auch in dieser Branche existiert reichlich Änderungspotenzial – lautes Feuerwerk ist einfach nicht mehr zeitgemäss. Darüber hinaus werden die lauten Feuerwerkskörper mehrheitlich nicht in der Schweiz produziert, sondern in China. Ferner kann lautes Feuerwerk der Schweizer Wirtschaft auch schaden: Viele Menschen verlassen das Land für einige Tage, um Kleinkinder oder Haustiere «in Sicherheit» zu bringen. Tierliebe Touristen meiden die Schweiz, um ihren Vierbeinern den Lärmstress zu ersparen.

Nau.ch: Feuerwerks-Puristen werden Ihnen entgegnen, dass das Feuerspektakel auch ein Teil der Schweizer Tradition sei. Was sagen Sie dazu und was meinen Sie mit Änderungspotenzial?

Meister: Grosse Feuerwerksdarbietungen von überregionaler Bedeutung, wie sie in der Schweiz als Tradition verstanden werden, wären weiterhin erlaubt. Wir wollen Feuerwerk ja nicht verbieten – es ist keine Verbotsinitiative! Aber heute versucht jeder, seinen Nachbarn mit noch grösserem und noch lauterem Feuerwerk zu überbieten, das ist nicht mehr zeitgemäss. Mit Änderungspotenzial meine ich moderne Alternativen zum Schwarzpulver aus dem vorletzten Jahrtausend. Lichtshows, Wasserspiele oder Laser- und Drohnenspektakel sind mittlerweile ebenso wunderschön – und das ohne Lärm und ohne Gestank.

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Das Drohnenspektakel über dem Genfersee – für Corinne Meister und ihre Mitstreiter eine echte Alternative zum lauten Feuerwerk. (Archivbild) - keystone

Nau.ch: Bei der «Feuerwerksinitiative» könnte man von einer Volksbewegung sprechen – wer unterstützt Sie bei der Unterschriftensammlung?

Meister: Wir haben vier grosse Tierschutzorganisationen im Rücken – das sind unsere Kernpartner. Wir haben aber keinerlei grosse Parteien hinter uns, auch die Mitglieder des Initiativkomitees sind parteineutral. In erster Linie können wir auf die Unterstützung aus dem Volk zählen, was uns sehr erfreut! Viele sammeln – aus Eigeninitiative – in ihrem Freundes- und Verwandtenkreis und in ihrer Nachbarschaft.

Nau.ch: Sie haben bereits mehr als 90'000 Unterschriften gesammelt – sind Sie überrascht, wie viel Zuspruch Ihr Anliegen erhält?

Meister: Ja, weil wir unsere Reichweite selbst erarbeiten mussten. Wir können keine Unterschriften kaufen. Im Hinblick dieser Tatsache ist es sehr erfreulich und motivierend, dass wir seit Mai 2022 so viele Unterschriften sammeln konnten.

Nau.ch: Nun haben Sie noch bis zum 3. November 2023 Zeit, um die verbleibenden 10'000 Unterschriften zu sammeln – ist das nur noch reine Formsache?

Meister: Man muss davon ausgehen, dass für eine Volksinitiative rund 120'000 Unterschriften nötig sind, um auf der sicheren Seite zu sein. Wir werden aber bestimmt die 100'000 Unterschriften erreichen.

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Lautes Feuerwerk in Nyon – am Ende wird die Stimmbevölkerung über die eidgenössische Volksinitiative «Für eine Einschränkung von Feuerwerk» entscheiden. (Archivbild) - keystone

Nau.ch: Glauben Sie, dass Ihre Initiative auch jenseits des Sammelstadions – namentlich im Rahmen einer Volksabstimmung – mehrheitsfähig ist?

Meister: Das ist natürlich schwierig abzuschätzen. Wir gehen aber definitiv davon aus, dass wir im Abstimmungskampf auch auf die Unterstützung von grösseren Parteien zählen können.

Am Ende entscheidet das Volk

Auf der Webseite der Initiative finden Interessierte ein bekanntes Zitat aus den Erläuterungen zur allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: «Die Freiheit des einen kann nicht zulasten der Freiheit anderer gehen.»

Was halten Sie von der Eidgenössischen Volksinitiative «Für eine Einschränkung von Feuerwerk»?

Wo die Freiheiten des einen beginnen, und wo diejenigen des anderen enden, wird die Stimmbevölkerung letztlich an der Urne entscheiden. Im Gegensatz zu lautem Feuerwerk ist dieser Prozess zweifelsohne Teil der Schweizer Tradition.

Kommentare

User #5456 (nicht angemeldet)

Passt zur aktuellen Zeit. Lösungen so gut, dass sie nur mit Verboten auskommen.

Mäse

Schweizer sind halt richtige Bünzlis.

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