Gerhard Andrey (Grüne): «Deutschfreiburger sind Brückenbauer»
Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey kandidiert für den Ständerat. Im Nau.ch-Interview erklärt er, es brauche mehr Vielfalt im Stöckli – auf verschiedenen Ebenen.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit der Abwahl von Beat Vonlanthen (Mitte) 2019 steht Deutschfreiburg ohne Ständerat da.
- Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey will dies am 22. Oktober ändern.
- Sprachlich – aber auch politisch – brauche es in der kleinen Kammer «mehr Vielfalt».
Nau.ch: Gerhard Andrey, Sie kandidieren als einziger deutschsprachiger Politiker im Kanton Freiburg für den Ständerat. Wie wichtig ist es, dass Deutschfreiburg einen Ständeratssitz hat?
Gerhard Andrey: Als gebürtiger Sensler, der seit langem im französischsprachigen Teil von Freiburg wohnt, bin ich mir der Vielfalt des Kantons bewusst. Beide Sprachregionen Freiburgs sollten im Ständerat vertreten sein, da die Zweisprachigkeit eine wichtige Realität von Freiburg ist.
Nau.ch: Auffällig ist, dass die anderen grossen Parteien keinen deutschsprachigen Kandidaten stellen. Hat man es in Freiburg als französischsprachiger Politiker einfacher?
Grundsätzlich ist das von der Bevölkerungszahl her sicher so. Nur mit Französisch kommt man mathematisch weit. Doch das ist nicht nur ein Vorteil. Wenn man beispielsweise als Deutschfreiburger früh gezwungen wird, Französisch zu lernen, dann kann man auch eher für den ganzen Kanton sprechen. Weil ich selber früh mit dieser Situation konfrontiert wurde, bin ich sozusagen ein Freiburger Moitié-Moitié-Produkt.
Nau.ch: Wie wichtig ist der regionale Aspekt bei Ihrer Tätigkeit im Nationalrat?
Die Frage ist weniger, woher man kommt, sondern wie anschlussfähig man in den verschiedenen Landesregionen ist. Und da kann die Sprachbarriere eine Hürde sein. Als zweisprachiger Freiburger hat man den Vorteil, auf beiden Seiten mobilisieren zu können. Die Deutschfreiburger haben dabei eine spezielle Rolle inne. Wir sind Brückenbauer. Das ist ein unglaublicher Vorteil.
Nau.ch: Sie bezeichnen sich auf Ihrer Webseite als «konsequent zweisprachig». Ist man als Sensler oder allgemein als Freiburger besonders sensibilisiert, was dieses Thema angeht?
Auf jeden Fall. In Freiburg ist es so, dass das Französische sehr dominant ist. Mir macht das grundsätzlich nicht viel aus. Aber die Deutschfreiburger fühlen sich oft missverstanden. Denn sie identifizieren sich zuerst als Freiburger und erst dann als Deutschschweizer. Die Sensler und Seeländer spüren im eigenen Kanton schon früh, dass sie eine Minderheit sind. Dadurch ist die Sprachenfrage für die Deutschfreiburger wichtiger als für die Frankofonen.
Nau.ch: Man kann die Ständeratswahl in Freiburg auch aus der parteipolitischen Perspektive betrachten. Aktuell vertreten zwei bürgerliche Frauen – Johanna Gapany (FDP) und Isabelle Chassot (Mitte) – den Kanton.
Die Sprachenfrage ist die eine, die inhaltliche Linie die andere. Es entspricht nicht der Vielfalt des Kantons, wenn zwei bürgerliche Romandes im Stöckli sitzen.
Nau.ch: Deutschfreiburg ist eine eher ländliche Region. Als Grüner hat man es da wahrscheinlich nicht leicht, Stimmen zu sammeln – trotz Sprache.
Man muss die Leute überzeugen, klar. Gerade in ländlichen Regionen ist der Klimawandel aber besonders sichtbar. Die Landwirtschaft ist stark davon betroffen, gerade, was das Wassermanagement oder den Artenverlust angeht. Es gibt immer mehr Unterstützung für nachhaltige Politik, auch in ländlichen Regionen. Meine Position ist also kein Nachteil, sondern ein Angebot an die Freiburger Bevölkerung. Ich setze mich für eine Umwelt-kompatible Wirtschaft und damit eine für uns und kommende Generationen lebenswerte Zukunft ein.
Nau.ch: Wie schätzen Sie Ihre Chancen für eine Wahl in den Ständerat ein?
Das kommentiere ich nicht. Ich überlasse solche Dinge denen, die besser Glaskugeln lesen können. Ich habe etwas anzubieten. Die Stimmbevölkerung wird entscheiden, wen sie nach Bern schicken will.
Nau.ch: Sie kandidieren neben dem Ständerat auch wieder für den Nationalrat.
Genau, ich stelle mich zur Wiederwahl in den Nationalrat. Zusätzlich habe ich mich dazu entschieden, die Chance einer Ständeratskandidatur zu packen, weil links-grün und Deutschfreiburg im Ständerat nicht vertreten sind. Es geht darum, wie der Kanton Freiburg in Zukunft im Ständerat repräsentiert wird. Es braucht mehr Grün und mehr Vielfalt im Ständerat.