Grüne jubeln: Rettet Nationalrat das Klima doch noch?
Ein Vorstoss der Grünen zur Förderung von erneuerbaren Energien geht im Nationalrat widerstandslos durch. Die Energie ganzer AKWs wird damit ermöglicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Freude bei den Grünen: Der Nationalrat will erneuerbare Energien massiv ausbauen.
- Dies drei Tage nach dem Nein des Stimmvolks zu teurem Klimaschutz via CO2-Gesetz.
- Das Förderprogramm würde CO2-neutralen Strom ermöglichen im Umfang mehrerer AKWs.
Seltene Einigkeit im Nationalrat, es wurde nicht einmal eine Abstimmung verlangt. Der Vorstoss des Grünen Nationalrats Bastien Girod für die Förderung von erneuerbaren Energien fand Zustimmung von links bis rechts. Dagegen war einzig – ausgerechnet – Umweltministerin Simonetta Sommaruga.
Und das drei Tage nach dem Nein zum CO2-Gesetz an der Urne. Hat die Gegner das schlechte Gewissen geplagt, oder ist das die Einlösung gemachter Versprechen vom Abstimmungssonntag?
Grüne: «Zwischenerfolg beim Klimaschutz»
Man reibt sich verwundert die Augen, denn auf den ersten Blick scheint hier ein Durchbruch gelungen. Es sei ein wichtiger Zwischenerfolg beim Klimaschutz, freut sich der grüne Nationalrat Kurt Egger. «Dank grünem Vorstoss im Parlament können erneuerbare Energien im Umfang von drei AKW ausgebaut werden.» Das tönt nach ziemlich viel und ziemlich einfach, fast als hätte man bald zu viel Strom und erst noch CO2-neutralen.
Der Vorstoss von Bastien Girod will Windenergie-, Kleinwasserkraft-, Biogas-, Geothermie- und Fotovoltaikanlagen ab 2023 mit einmaligen Investitionsbeiträgen fördern. Denn nächstes Jahr läuft die bisherige Lösung, die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV), aus. Eine Übergangslösung, bis der Bundesrat die umfassendere Reform der Energiegesetzgebung vorlegt: Das leuchtete auch den Bürgerlichen ein.
Wasserkraft und Landwirtschaft profitieren
Folgen dank mehr Windrädern und Solardächern schon 2022 die AKWs Beznau I und II dem Schicksal demjenigen von Mühleberg? Das ist dann doch eher unwahrscheinlich.
SVP-Nationalrat Albert Rösti, Energie-Lobbyist mit vielerlei Hüten, wiegelt ab. Überschlagsmässig kommt er nicht auf drei, sondern eher zwei AKWs, die hier erneuerbar zugebaut werden könnten. So oder so reicht das zur Rettung des Klimas aber noch nicht.
Die Aufzählung der Kraftwerksarten ist denn auch etwas irreführend. Geothermie-Projekte sind eher Zukunftsmusik, der Ertrag von Kleinwasserkraftwerken ist naturgemäss klein.
Profitieren könnten hingegen alte Bekannte in der Wandelhallen-Lobbyisten-Szene. Die Landwirtschaft, so sie denn sich an Biogas-Kraftwerken beteiligt. Und vor allem die Grosswasserkraftwerke: Diese könnten statt 30 bis zu 60 Prozent der Investitionen vergütet erhalten.
Mehr Strom, aber immer noch zu wenig
So steht es jedenfalls im vorgeschlagenen Gesetzestext, der heute erst noch im Detail beraten wird. Von den maximal 30 Prozent Investitionskosten könnten dagegen «kleine Fische» wiederum nicht profitieren. Solardächer, selbst die grossflächigen von Bauernhäusern, erreichen kaum die geforderte Mindestleistung von 100kW.
Kommt dazu: Nicht nur die AKWs müssen kompensiert, auch der steigende Strombedarf muss gedeckt werden. Der saubere soll nicht nur dreckigen Strom ersetzen, sondern auch Benzin und Erdöl.
Wärmepumpen, E-Tron-SUVs, ID.3, ID.4 und von Tesla ganz zu schweigen: Gebäude und Mobilität brauchen mehr Strom. Zweistellige Terawattstunden-Zahlen werden herumgeboten.
Natürlich ist es etwas zufällig, dass der Nationalrat genau in dieser Woche über den Ausbau der Erneuerbaren berät. Eingereicht hat Bastien Girod den Vorstoss schon vor fast genau zwei Jahren. Man darf aber gespannt sein, was das Parlament bei der Detailberatung noch entscheidet. Und was der Bundesrat bald als definitive Lösung vorlegt, die offenbar alles andere in den Schatten stellt.