Indonesien-Abkommen: Claude Longchamp rechnet mit Ja
Das Indonesien-Abkommen ist noch unsicher, sagt Politologe Claude Longchamp. Er tippt dennoch auf ein Ja zum Freihandelsabkommen.
Das Wichtigste in Kürze
- Freihandelsabkommen kommen normalerweise nicht vor das Volk.
- Doch gegen das Abkommen mit Indonesien wurde das Referendum ergriffen.
- Politologe Claude Longchamp tippt auf ein Ja, obschon die Vorlage noch sehr unsicher sei.
Die eidgenössischen Räte stimmten dem neuen Indonesien-Abkommen zu. Der Nationalrat war mit 119 zu 56 dafür. Der Ständerat unterstützt es mit 34 zu 8 Stimmen. In der grossen Kammer enthielten sich 21 Mitglieder, in der kleinen 2. Sie kamen aus den Reihen der SP respektive der SVP. Klar für das Freihandelsabkommen waren die FDP, Die Mitte (vormals CVP respektive BDP) und die GLP.
Regierung und Parlament begründeten ihre Entscheidungen mit der Wichtigkeit des Abkommens. Es berücksichtige sowohl die wirtschaftlichen Interessen beider Länder als auch das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung.
Normalerweise wird eine so klar verabschiedete Vorlage in der Volksabstimmung angenommen. Ein Ergebnis im 50 bis 60 Prozent Bereich kann erwartet werden. Dafür spricht auch die Wahlbörse «50plus1», die ein solches Resultat für das wahrscheinlichste hält. Allerdings gibt es keine direkten Referenzabstimmungen. Denn bisher wurden solche Freihandelsverträge in der Regel nicht dem Referendum unterstellt und ohne Volksabstimmung in Kraft gesetzt.
Das buntscheckige Referendum
Angestossen wurde das Referendum vom Bio-Winzer Willy Cretegny aus Genf. Ihm angeschlossen haben sich verschiedene bäuerliche und zivilgesellschaftliche Kreise. Unterstützt wird das Referendumskomitee namentlich von Uniterre, den Kleinbauern, der Pro Natura, Greenpeace, dem Bruno-Manser-Fonds und Paneco. Hinzu kommen die Grünen, die PdA und die EVP. Auch die Jungen Grünen und die Juso sind mit dabei.
Gesammelt wurden knapp 60'000 gültige Unterschriften. Das Komitee kritisiert dabei, dass das mit dem Abkommen verbundene Versprechen der Nachhaltigkeit der Palmölproduktion nicht eingelöst werde. Dafür fehle es an wirksame Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten. Billig importiertes Palmöl führe weiter zur Zerstörung von Urwäldern und konkurrenziere die einheimische Produktion an Sonnenblumen- und Rapsöl.
Erschwerte Lagerbildung
Schon die Unterschriftensammlung zeigte Bruchlinien im bäuerlichen wie auch im linken Lager. Der Schweizerische Bauernverband stellte sich früh und klar hinter die Vorlage. Nur kleinere Interessenorganisationen der Landwirtschaft verblieben in der Opposition.
Uneinheitlich treten schliesslich auch die Umweltorganisationen auf. Namentlich der WWF befürwortet anders als Pro Natura und Greenpeace die Vorlage. Von einer einheitlichen Front der ökologischen Organisationen wie etwa beim Jagdgesetz ist man recht weit entfernt.
Die Parolenfassung der SP sorgte für die bisher grösste Spannung im Abstimmungskampf. Am Vorabend der Delegiertenversammlung debattierten Fabian Molina und Ronja Jansen in der «SRF-Arena» das Pro und Contra live.
Am anderen Tage entschied die online durchgeführte Delegiertenversammlung knapp, die Vorlage abzulehnen. Durchgesetzt hat sich die Position der Juso. Erstmals verloren hat die neue Parteileitung der SP, die sich für die Annahme eingesetzt hatte.
Im linken Lager sind die Grünen der Tagessieger, da sie ohne Slalomfahren konsequent für die Ablehnung plädierten.
Der bisherige Abstimmungskampf
Der bisherige Abstimmungskampf verlief eher flau. Auf jeden Fall steht er im Schatten der stärkeren Kontroversen zu den beiden anderen Vorlagen, über die am 7. März 2021 entschieden wird.
Bundesrat Parmelin vertritt die klassischen, wirtschaftsliberalen Argumente zum Freihandel. Er betont die Chancen der Schweiz, sich einen grossen Absatzmarkt in Südostasien erschliessen zu können. Investitionen von Schweizer Firmen seien von allgemeinem Interesse. Den ökologischen Bedenken habe man zudem auf dem Verordnungsweg extra Rechnung getragen.
Die Gegnerschaft greift die schon länger dauernde Debatte zur Zerstörung der Urwälder in verschiedenen Ländern auf. Sie fordert aus umwelt- und klimapolitischen Gründen einen generellen Stopp der Palmöl-Abholzung.
Medientenor
Der vorläufige Medientenor in der deutschsprachigen Schweiz ist leicht zugunsten der Vorlage, dies im Gegensatz zu der Suisse romande. Medial sichtbare Akteure auf der Pro-Seite sind der Bundesrat, umgeben von den Wirtschaftsverbänden und allen Parteien ausser den Grünen.
Auf der Nein-Seite dominiert das Referendumskomitee, verstärkt durch Fachleute und Zivilgesellschaft. Prominent auf die Ja-Seite gestellt hat sich mit einem Leitartikel der Tagesanzeiger. Klar im Nein-Lager angesiedelt ist die Wochenzeitung.
Erste Abstimmungsumfragen
Die ersten Vor-Umfragen zu den Stimmabsichten zeigen einheitlich, dass die Meinungen zum Indonesien-Abkommen erst beschränkt vorhanden sind. Erstaunlich ist das nicht, denn es besteht keine grosse Erfahrung mit entsprechenden Abstimmungsvorlagen. Das spricht gegen klare themenspezifische Prädispositionen.
Gemäss der zweiten Tamedia-Serie verfügt keine Seite über eine Mehrheit bei den Stimmabsichten. In der SRG-Befragung überwiegt das Ja, indessen nicht entscheidend. Populärstes Argument dafür ist der neue Marktzugang, während die Palmölproduktion das verbreitetste Nein-Motiv ist.
Wie die Tamedia-Reihe zeigt, findet unter den teilnahmewilligen Stimmberechtigten ein Meinungsaufbau statt. Eine Richtung hat er aber bisher nicht angenommen. Mehrheitlich im Ja sind Männer, die Wählenden der FDP und der Mitte. Mehrheiten dagegen zeichnen sich im linken Spektrum und allenfalls in der Suisse romande ab.
Der Ausgang der Volksentscheidung ist auch einen Monat vor dem Abstimmungssonntag weiterhin offen. Relevant Unentschiedene gibt es vor allem im SVP-Lager resp. bei jungen Menschen und Frauen.
Im Vergleich zu den beiden anderen Abstimmungsvorlagen vom 7. März 2021 ist die Vorbestimmtheit bei diesem Thema am geringsten. Das bedeutet, dass die Schlussphase des Abstimmungskampfes hier entscheidet.
Zwischenbilanz zum Indonesien-Abkommen
Zieht man eine Zwischenbilanz zum Stand der Dinge beim Freihandelsabkommen mit Indonesien, kann man Folgendes festhalten:
– Erstens, die Aufmerksamkeit der Vorlage im Abstimmungskampf ist vergleichsweise gering.
– Zweitens, die Meinungsbildung der Teilnahmebereiten bleibt auffällig vage.
– Drittens, es stehen sich Wirtschafts- und Umwelt- resp. Klimaargumente gegenüber.
– Viertens, das Nein-Lager besteht aus linken Parteien inklusive EVP. Selbst die GLP macht da nicht mit.
Der Ausgang der Volksabstimmung ist weiterhin offen. Doch hat die Ja-Seite aufgrund des Parolenspiegels und des Medientenors die etwas besseren Chancen auf einen Sieg.