Ist die Schweiz gefährlicher als früher?
Der Blick in die Kriminalstatistik zeigt einen alarmierenden Anstieg schwerer Gewaltdelikte. Nau.ch hat bei Experten und Politikern nach den Ursachen gefragt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz verzeichnet im Jahr 2022 einen Rekordwert in Sachen schwerer Gewaltverbrechen.
- Für Nationalrat Philipp Bregy (Mitte/VS) stehen soziale Verwerfungen am Ursprung.
- Nationalrätin Andrea Geissbühler (SVP/BE) wiederum spricht von «importierter Gewalt».
Die Schweiz gilt als eines der sichersten Länder der Welt. Im globalen Friedensindex rangiert die Eidgenossenschaft auf Rang 11 von 163. Die neusten Daten aus der polizeilichen Kriminalstatistik hinterlassen jedoch einen anderen Eindruck: Mit 1942 registrierten Fällen schwerer Gewaltdelikte markiert das Jahr 2022 einen besorgniserregenden Rekordwert.
Gemäss der Konferenz der kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten (KKPKS) ist im Bereich der schweren Gewaltdelikte ein genereller, leichter Aufwärtstrend beobachtbar. Diese Entwicklungen müssten jetzt genauer analysiert werden. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf: Ist das Leben in der Schweiz jüngst gefährlicher geworden?
Bregy: «Die Gemeinschaft in der Vordergrund stellen»
Nationalrat Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS) vertritt grundsätzlich die Ansicht, dass die Schweiz nach wie vor ein sicheres Land sei. Mit Ausnahme der Gewalt gegen Behörden seien sämtliche Delikte während der Pandemie zurückgegangen – umso signifikanter sei jetzt die Zunahme.
Gleichwohl habe die Gewalt auch im Vergleich zu vor der Pandemie zugenommen. Deshalb gelte es, der steigenden Gewaltbereitschaft genügend Beachtung zu schenken. Bregy sieht soziale Verwerfungen am Ursprung dieser Zunahme: «Wir sollten darauf bedacht sein, die Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen.»
Der Walliser ist überzeugt: Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft führe zu einem Verlust des Gemeinsinns. Ferner spielten virtuelle Welten und Videospiele sicherlich auch eine Rolle bei der Zunahme von Gewaltdelikten. Auch die KKPKS betont, dass die Gesellschaft immer anonymer und individualistischer werde. Deshalb scheine auch das Gemeinwohl an Bedeutung zu verlieren, erklärt der Kommunikationsverantwortliche, Adrian Gaugler.
Geissbühler: «Wir importieren Kriminalität»
Für Nationalrätin Andrea Geissbühler (SVP/BE) wiederum steht fest: «In den letzten Jahren ist die Schweiz in Sachen Sicherheit immer weiter abgerutscht. Die Eidgenossenschaft gehört nicht mehr zu den sichersten Ländern der Welt.» Sie habe diesen Trend als Privatperson und als Polizeibeamtin miterleben müssen.
Den Ursprung dieser Entwicklung sieht Geissbühler in der wachsenden Zuwanderung. Leider hätten viele Menschen aus anderen Kulturen ein anderes Verhältnis zur Gewalt oder zu Frauenrechten. Die Bernerin ist überzeugt: «Wir importieren Kriminalität.»
Viele Straftäter haben Migrationshintergrund
Fabian Ilg, Geschäftsleiter der Schweizerischen Kriminalprävention (SKP), stimmt diesem Gedanken in gewissem Umfang zu: «Der Migrationshintergrund ist erwiesenermassen ein Risikofaktor.» Unabhängig von der Herkunft hätten Menschen mit Migrationshintergrund oft eine schlechtere Bildung, schwierigere familiäre Verhältnisse oder traumatische Biografien.
Zusätzlich verfügten diese Personen oft über schlechtere Zukunftsperspektiven und eine gewaltbefürwortende Sozialisierung. Alle diese Faktoren begünstigten die Gewaltbereitschaft von Menschen mit Migrationshintergrund, so der Experte.
Tatsächlich haben rund 70 Prozent der inhaftierten Personen hierzulande keinen Schweizer Pass. 53 Prozent der beschuldigten Zuwiderhandlungen gegen das Strafgesetzbuch sind auf Ausländer zurückzuführen – bei schweren Gewaltdelikten sind es 66 Prozent. «Bei einem Ausländeranteil von 25 Prozent müssen diese Zahlen aufhorchen lassen», erklärt Geissbühler.
Keine konsequente Ausschaffung von kriminellen Ausländern
Die Bernerin bemängelt deshalb, dass kriminelle Ausländer bis heute nicht konsequent ausgeschafft würden – entgegen dem Volkswillen. Überdies habe sie sich im Parlament dafür eingesetzt, dass kriminelle Ausländer Gefängnisstrafen in ihrem Heimatland verbüssen müssten. Eine entsprechende Motion sei 2021 bedauerlicherweise gescheitert.
Schliesslich müsse die Schweiz auch vor Ort nachhaltige Projekte unterstützen, um diesen Menschen mehr Perspektiven im eigenen Land zu bieten. Im Gegenzug müsste die Zuwanderung begrenzt werden, so Geissbühler. Ähnliche Töne stimmen Nationalratskollegen Mauro Tuena (SVP/ZH) und Martina Bircher (SVP/AG) an: Viele dieser Gewaltdelikte seien auf die «massive Zuwanderung» zurückzuführen. Es sei daher die Aufgabe der Politik, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um die Schweiz wieder sicherer zu machen.
Polizeiarbeit wird schwieriger
Gleichzeitig gibt Geissbühler zu bedenken, dass auch die Polizeiarbeit immer schwieriger werde. «Wenn man die Polizei immer mehr einschränkt und ihre Arbeit erschwert, dann muss man sich über solche Statistiken nicht wundern.» Die Politik sollte die Polizei bei ihrer Arbeit besser unterstützen. Die ehemalige Polizistin ist sicher: Man müsse den Gesetzeshütern mehr Freiheiten bieten.
Dieser Forderung stimmt auch die KKPKS zu: «Die Strafprozessordnung in der Schweiz ist sehr formell. Dies führt dazu, dass Polizeibeamte vermehrt mit Schreibarbeiten beschäftigt sind und nicht präventiv auf der Strasse unterwegs sein können.»
Bregy ist seinerseits überzeugt, dass die Politik die nötigen Mittel sprechen müsse, damit Verbrechen gezielt geahndet werden können. Als mögliche Lösung scheint seiner Partei eine Aufstockung der Polizeikorps vorzuschweben. In diesem Zusammenhang betont der Walliser ausserdem, dass die Politik die Chancengleichheit gewähren müsse, um soziale Verwerfungen zu verhindern.
Fest steht, Gewaltverbrechen sind ein komplexes Problem – auch Präventions-Experte Ilg betont diese Tatsache: «Wirksame Gewaltprävention ist vielschichtig, gezielt, interdisziplinär und setzt möglichst früh ein. Zudem ist Gewaltprävention langfristig angelegt.» Folglich dürfte es noch eine Weile dauern, bis die Ursachen abschliessend analysiert sind und entsprechende politische Massnahmen getroffen werden können.