Junge Tat: Ehemaliger Präsident der SVP Buchs ist jetzt Neonazi
Die «Junge Tat» machte 2022 mit zahlreichen Aktionen auf sich aufmerksam. Jetzt ist klar: Ein ehemaliges SVP-Mitglied gehört der rechtsextremen Gruppierung an.
Das Wichtigste in Kürze
- Der frühere Präsident der SVP Buchs und Vizepräsident der JSVP St. Gallen ist ein Neonazi.
- Er wurde 2019 vor die Wahl gestellt: Aus der SVP austreten oder ausgeschlossen werden.
- Nationalrat Mike Egger (SVP/SG) ist überzeugt: Die Jungpartei habe alles richtig gemacht.
Friedlich sitzen dutzende Kinder im Tanzhaus in Zürich und lauschen den Kindergeschichten, die ihnen vorgetragen werden. Mithilfe der «Magie von Drag» sollen die Drei- bis Zwölfjährigen etwas über «ihr eigenes Selbstverständnis, Integration, Akzeptanz und Toleranz» lernen. Doch an diesem Sonntag läuft vieles anders, als sich die Veranstalter von rund zwei Dutzend vergangenen Darbietungen gewohnt sind.
Denn am 16. Oktober 2022 mischen sich Rechtsradikale der Gruppierung «Junge Tat» unter das Publikum der «Drag Story Time» im Tanzhaus. Zum Ende der Veranstaltung zünden vermummte Personen Rauchpetarden, skandieren Parolen und präsentieren ein Transparent mit dem Aufdruck «Familie statt Gender-Ideologie».
Jonas M. aus Buchs
Es ist der bisher wohl grösste Coup der Organisation «Junge Tat» – doch längst nicht der einzige. Einer dieser «Jungen Täter» ist Jonas M.* aus Buchs. Er ist eines von mindestens zwei Mitgliedern der Sanktgaller Fraktion der Gruppierung.
Doch M. war bereits früher politisch in Erscheinung getreten – insbesondere auf kantonaler Ebene. Bis 2019 war M. nämlich Vizepräsident der Jungen SVP des Kantons St. Gallen und Präsident der SVP Buchs. Gemeinsam mit den SVP-Politikern Mike Egger und Sascha Schmid gründete M. dereinst das «Komitee sichere Grenzen im Rheintal».
2019 aus der Partei ausgeschlossen
Als Sascha Schmid von der Gesinnung seines früheren Weggefährten erfuhr, sei er überrascht gewesen. Gegenüber «CH Media» betont der SVP-Kantonsrat, dass man die zunehmende Radikalisierung von M. nur am Rande mitbekommen hatte: «Man hat gemerkt, dass sich bei ihm etwas verändert.»
Der Kontakt sei immer sporadischer geworden, so Schmid: «Wir haben einen anonymen Tipp bekommen, dass er in rechtsradikalen Kreisen verkehre.» Sobald sich dieser Verdacht erhärtet hatte, stellten Schmid und seine Parteikollegen den «Jungen Täter» vor die Wahl: Selbst zurücktreten oder aus der Partei ausgeschlossen werden.
Für SVP-Nationalrat Mike Egger steht fest: Seine Jungpartei habe mit dem Ausschluss von M. alles richtig gemacht. Man habe ein klares Zeichen gegen die Radikalisierung setzen wollen.
Die «Junge Tat» – Wölfe im Schafspelz?
Die «Junge Tat» lockt mit Themen, die auf den ersten Blick harmlos erscheinen: «Sport, Bildung und Tat». Die Vertreter der neuen radikalen Rechten geben sich wie ganz normale Jungs – die Wochenzeitung bezeichnete sie deshalb als «Schwiegersohn-Neonazis».
Sie nennen sich nicht «Neonazis» – stattdessen sprechen sie von «Aktivismus». Den «Rassenkrieg» bezeichnen sie verschleiernd als «Erhalt der ethnischen und kulturellen Bevölkerung». Sie sprechen vom Überdruss der «liberalen Besänftigungen» und davon, dass sich «durch Reden alleine nichts ändert».
Doch dahinter verbirgt sich eine radikale Gesinnung: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) beobachtet die «Junge Tat» seit längerer Zeit. Die rechtsextreme Gruppierung drängt seit Monaten mit akribisch umgesetzten Aktionen und professionell produziertem Videomaterial an die Öffentlichkeit.
Mal verkleiden sie sich als Araber, um für Werbezwecke die Kehlen von Schweizern «aufzuschlitzen». Anderenorts organisieren sie Lesekreise, Boxtrainings, Gruppenwanderungen und Aufräumaktionen: Stets begleitet von Kameras und dem ständigen Aufruf an Interessierte, das nächste Mal auch dabei zu sein.
Seit ihrer Gründung versucht die «Junge Tat», ihr Image aufzupolieren: Die Anführer der Organisation versuchen immer wieder, sich von «Nationalsozialismus und anderen Ideologien» zu distanzieren. Doch auch der Blick in die Vergangenheit der Organisation zeichnet ein anderes Bild: Gemäss Recherchen des «Tages-Anzeiger» hat mindestens einer der beiden Väter der Organisation direkte Verbindungen zu prominenten Neonazi-Gruppierungen.
*Name der Redaktion bekannt.