Karin Keller-Sutter: Komplett verschleierte sind ein «Randphänomen»
Das Parlament und der Bundesrat haben die Verhüllungsverbot-Initiative abgelehnt. Karin Keller-Sutter findet: Verschleierte Personen sind ein «Randphänomen».
Das Wichtigste in Kürze
- Das Egerkinger Komitee will in der Schweiz ein Verhüllungsverbot etablieren.
- Bisher konnten die Kantone entscheiden, ob sie ein solches Verbot einführen wollten.
- Justizministerin Karin Keller-Sutter vertritt das Nein des Bundesrats.
Die Verhüllungsverbot-Initiative, oder Burka-Initiative, gibt schon seit ein paar Jahren zu reden. Lanciert wurde diese vom Islamkritischen Egerkinger Komitee, welche Verhüllungen im öffentlichen Raum verbieten will – mit Ausnahmen. Damit wolle man gegen den «gewalttätigen Islam» vorgehen, schrieb SVP-Präsident Marco Chiesa in einem Gastbeitrag. Die SVP unterstützt die Initiative, im Egerkinger Komitee sind viele SVPler und SVP-nahe Politiker.
Das Egerkinger Komitee präsentiert seine Kampagne zum #Verhüllungsverbot! JA am 7. März 2021! pic.twitter.com/BAYuzWuejE
— Nils Fiechter (@NilsFiechter) December 29, 2020
Klar im Zentrum der Debatte ist die Verhüllung von muslimischen Frauen: Das Plakat des Ja-Komitees zeigt eine Frau mit Nikab. Teile der Mitte-Fraktion setzten sich auch während der Debatte im Parlament für die Initiative ein. Vom Komitee vorgezeigt wird zum Beispiel die Aargauer CVP-Nationalrätin Marianne Binder.
Karin Keller-Sutter: «Die Schweiz hat kein Verhüllungsproblem»
Der Bundesrat und das Parlament empfehlen eine Ablehnung der Initiative. Mit der Medienkonferenz der Exekutive wird der Abstimmungskampf eröffnet.
Justizministerin Karin Keller-Sutter sieht keinen Handlungsbedarf: Die Kompetenz über Verhüllungsverbote solle wie bisher bei den Kantonen bleiben. Wenn ein Integrationsproblem wegen der Schleier vorliege, könnten diese schon eingreifen: «Die Kantone handeln, wenn es aus ihrer Sicht Handlungsbedarf gibt.»
Keller-Sutter stellt auch klar, dass die Schweiz kein Verhüllungsproblem habe. Eine Untersuchung der Universität Luzern habe herausgefunden, dass etwa 20 bis 30 Frauen in der Schweiz eine Nikab tragen. Burkas seien «so gut wie gar nicht sichtbar», in den meisten Fällen seien es Touristinnen, welche ein solches trügen. Es sei also ein «Randphänomen» und kein wirkliches Problem, sagte Keller-Sutter.
Die Nikab ist eine oft schwarze Verschleierung, welche die Augen mit einem Schlitz sichtbar lässt. Die Burka hingegen verfügt über ein Netz, welches die Augen verdeckt.
Keinen Schutz vor Terrorismus
Bei vermummten Hooligans oder Demonstrierenden sieht der Bundesrat auf nationaler Ebene ebenfalls keinen Handlungsbedarf. Diese Entscheidungsfreiheit soll den Kantonen erhalten bleiben.
Die Initiative leiste aus Sicht des Bundesrats keinen Schutz vor Radikalisierung und Terrorismus, so Karin Keller-Sutter. Es gebe «andere, effizientere Instrumente».
Auch das Gleichstellungsargument der Initiantinnen und Initianten findet der Bundesrat nicht ausschlaggebend für ein Verhüllungsverbot. Laut derselben Untersuchung der Uni Luzern täten verschleierte Frauen dies freiwillig und oft gegen den Willen des Ehemannes oder Vaters.
Zudem werde bei einem Nein automatisch ein Gegenvorschlag eintreten, wie bei der Konzernverantwortungsinitiative. Dieser Gegenvorschlag sieht vor, dass man sich gegenüber den Behörden identifizieren muss und so auch das Gesicht zeigen soll. Die SVP findet den Gegenvorschlag zu schwach; er treffe den Punkt «überhaupt nicht», so SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann.