«Lächerlich!»: Linke droht mit Referendum gegen Tonnagesteuer
Die Mehrheit im Nationalrat möchte eine Tonnagesteuer für Schifffahrtsunternehmen einführen. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth hält die Vorlage für «absurd».
Das Wichtigste in Kürze
- Der Nationalrat hat sich für eine Tonnagesteuer für Schifffahrtsunternehmen ausgesprochen.
- Damit würde die Gewinnsteuer künftig anhand der Ladekapazität eines Schiffes berechnet.
- SP-Nationalrat und Co-Parteipräsident Cédric Wermuth hält die Vorlage für «völlig absurd».
Künftig sollen Schifffahrtsunternehmen mit Sitz in der Schweiz ihre Steuerlast nicht über die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne oder Verluste ermitteln. Bei der sogenannten «Tonnage-Besteuerung» handelt es sich gemäss Bundesrat um ein «Förderinstrument für die Seeschifffahrt».
Die Ermittlung der Gewinnsteuer würde künftig anhand der Ladekapazität eines Schiffes vorgenommen – ungeachtet des erwirtschafteten Gewinnes. Der Nationalrat hat am Dienstagmorgen einer entsprechenden Vorlage des Bundesrates zugestimmt.
Für Cédric Wermuth ist die Vorlage «absurd»
Die Gegner der Vorlage bezweifeln, dass die Einführung einer Tonnagesteuer mit der Bundesverfassung vereinbar sei: Prinzipiell erfolge die Gewinnbesteuerung in der Schweiz über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Tatsächlich liegen in der Angelegenheit zwei unabhängige Rechtsgutachten vor – mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen.
Für SP-Co-Präsident Cédric Wermuth ist die Vorlage «absurd». Er gibt zu bedenken: «Die effektiven Steuersätze dieser Unternehmen würden auf rund sieben Prozent sinken. Das ist lächerlich.» Die dadurch entstehenden Löcher müssten im Endergebnis von der Bevölkerung gestopft werden.
SP droht mit Referendum
Überdies sei es alles andere als sicher, dass eine Tonnage-Besteuerung zu Mehreinnahmen führe, die Gegner rechnen gar mit Mindereinnahmen. Es bestehe das Risiko, dass die Vorlage bei Unternehmen mit maritimen Transportkapazitäten zu «dynamischen Effekten der Steuerverlagerung» führe: Unternehmen würden künftig versuchen, ihre Gewinne in diesem Bereich aufzublasen, um von der privilegierten Besteuerung zu profitieren.
Davon profitieren würden in erster Linie Rohstoffhändler. «Die Abgrenzung zwischen Rohstoffhandel und Seeschifffahrt ist nicht immer klar. Manchmal verfügen Rohstoffhändler gar über eigene Flotten.» Aus diesen Gründen droht die SP schon heute mit dem Referendum gegen die Vorlage.
Gleichzeitig betont Wermuth, die Sozialdemokraten seien guten Mutes, dass der Ständerat in der Angelegenheit «zur Vernunft kommen werde». Im Falle eines Referendums sei die Tonnagebesteuerung für die Stimmbevölkerung allerdings relativ schnell erklärt: «Es ist, wie wenn Sie und ich entscheiden könnten, wir würden gerne nach Gewicht und nicht nach Einkommen besteuert werden. Das ist völlig absurd – abgesehen davon, dass es bei mir keine sonderlich gute Idee wäre.»
Befürworter wollen «gleich lange Spiesse»
Gemäss Bundesrat geniesse die Tonnagesteuer international und national breite Akzeptanz und sei besonders in der Europäischen Union weit verbreitet. 21-EU-Mitgliedsstaaten hätten bereits vergleichbare Regelungen eingeführt. In seiner allerletzten Debatte im Nationalrat betont Ueli Maurer: 18 Kantone und die Mehrheit der Organisationen hätten sich im Rahmen der Vernehmlassung für die Tonnagesteuer ausgesprochen.
Die spezielle Besteuerung führe bei rentablen Seeschifffahrtsunternehmen zu einer vergleichsweise moderaten Steuerbelastung. Mit der Einführung eines eidgenössischen «Bundesgesetzes über die Tonnagesteuer» möchte der Bundesrat den Wirtschaftsstandort Schweiz mit «gleich langen Spiessen» ausstatten. Die Befürworter der Vorlage erhoffen sich die Ansiedlung zusätzlicher Schifffahrtsunternehmen in der Eidgenossenschaft. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht sei die Steuer «vertretbar».
Eine bürgerliche Mehrheit im Nationalrat hat die Vorlage am 13. Dezember angenommen: Die SP, die Grünen und die Grünliberalen stimmten – mit einer Ausnahme – geschlossen dagegen. Das Gesetz geht nun zur weiteren Bearbeitung an den Ständerat.