Tonnagesteuer: «Bundesrat wurde über den Tisch gezogen»
Der Bundesrat will eine Tonnagesteuer in der Schweiz einführen. Die Reedereibranche zeigt sich zufrieden, aus gutem Grund: Ihre Forderungen wurden übernommen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die global tätige Reederei «MSC» hat seinen Sitz in Genf und macht Milliardengewinne.
- Die Branche hat die Einführung einer Tonnagesteuer gefordert und soll exakt das erhalten.
- Doch ein Fachanwalt und linke Politiker bezeichnen die Steuer als eine Subvention.
Der Bundesrat soll die Forderungen des Verbands Schweizer Reeders für eine Tonnagesteuer eins zu eins übernommen haben: Das ist der Knackpunkt einer Vorlage, die die Schweizer Hochseeschiffsfahrt betrifft, berichtete die SRF-«Rundschau» gestern.
Diese Tonnagesteuer existiert anderswo schon lange, etwa in der EU. Deswegen warnte der Vizepräsident des Verbands Schweizer Reeders im Beitrag: «Wenn die Tonnagesteuer nicht kommt, dann verschwindet die maritime Industrie aus der Schweiz über lang oder kurz.» So argumentiert auch der Bundesrat, man wolle «gleich lange Spiesse schaffen» für die Schweizer Unternehmen.
Tonnagesteuer: Vieles unklar, auch für Bundesrat
Die Tonnagesteuer funktioniert so: Anstatt den Gewinn der Reedereien zu besteuern, beachtet der Staat nur die Ladekapazität eines Schiffs. Dazu werden noch die Anzahl Betriebstage hinzugezählt.
Ein Schweizer Reedereiunternehmen ist etwa «MSC», das im letzten Jahr ordentlich Gewinn gemacht hat. Die Eigentümer, Familie Aponte, sind auf der Liste der 300 reichsten Schweizer dieses Jahr aufgestiegen: Ihr Vermögen ist von ursprünglich elf Milliarden Franken auf 19 bis 20 Milliarden in einem Jahr gestiegen. Der kurzzeitig schwindelerregende Aufschwung ist aber «nur» der Coronakrise und anderen Faktoren zu verdanken.
Mark Pieth, emeritierter Strafrechtsprofessor, bezeichnet die Tonnagesteuer als Subvention. Auch im Parlament sprechen Wirtschaftspolitiker von «Steuerreduktionen»: Zudem ist unklar, wie gross diese Reduktion und die Steuerausfälle sein werden.
Pieth selbst hat berechnet, dass der Steuersatz von zwölf auf sieben Prozent senken würde. Die Branche habe die Exekutive «über den Tisch gezogen», sagt der Korruptionsexperte und wirft dem Bundesrat «Naivität» vor: Er verstehe nichts von Hochseeschiffsfahrt.
«Steuerpolitik ist fast Selbstbedienungsladen»
Die «Rundschau» hat das Forderungspapier des Reedereiverbands und den Gesetzesentwurf des Bundesrats verglichen: Die Tarife, mit denen die Tonnagesteuer berechnet werden soll, «wurden eins zu eins» übernommen. Der Reedereiverband argumentiert zudem, es würden zusätzliche Einnahmen generiert – durch Steuern und für die hiesigen Pensionskassen. Auch diese Annahme hat der Bundesrat in seine Botschaft zum Gesetz übernommen.
Die SP, die gegen jegliche Steuererleichterungen für grosse Unternehmen einsteht, findet die Vorlage «interessant»: «In keinem anderen Politikbereich würde man akzeptieren, dass man derart ins Blaue raus ein Gesetz macht», sagt Co-Präsident Cédric Wermuth. Allgemein habe sich die Steuerpolitik unter Finanzminister Ueli Maurer für Grossunternehmen «fast zu einem Selbstbedienungsladen» entwickelt.
Die Tonnagesteuer wird im Nationalrat in zwei Wochen behandelt. Dass sich die Linke durchsetzen wird, ist unwahrscheinlich: Gemäss SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz hat der Bundesrat auch die Forderungen der rechten Parteien übernommen.