Nach E-Voting-Desaster: Post kauft System von insolventer Firma auf
E-Voting liegt auf Eis. Die bisherigen Anläufe waren fehlerhaft, Manipulationen waren möglich. Die Post steht nun erneut in der Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Post hat von der Firma Scytl die Rechte für das E-Voting-System abgekauft.
- Doch der Post-Partner Scytl musste Konkurs anmelden. Das wirft Fragen auf.
- E-Voting-Kritiker sind nicht überrascht und fordern eine Abkehr vom Scytl-System.
Wäre das E-Voting-System heute im Einsatz, wären Stimmenmanipulationen möglich. Beim öffentlichen Test der Software fanden Sicherheitsexperten gravierende Mängel. Die Folge: Übungshalt. E-Voting liegt derzeit auf Eis.
Verantwortlich für das Debakel war Scytl. Die spanische Firma hatte für die Post das System entwickelt, welche selbst nicht über das erforderliche Knowhow verfügte. Doch die Produkte von Scytl führten in Australien oder Südamerika zu Wahldebakeln. Nun muss die Software-Firma Konkurs anmelden.
Brisant: Noch im April hat die Schweizerische Post das E-Votingsystem von Scytl abgekauft. Das bestätigt Post-Sprecher Erich Goetschi. Ob es tatsächlich Millionen gekostet hat, bestätigt er nicht. Eigentlich wollte die Post erst in den kommenden Wochen informieren.
Wusste die Post, dass Scytl verschuldet ist?
Dennoch stellt sich die Frage: Hat die Post von den instabilen Verhältnissen der Firma gewusst? Falls ja, warum liess sie sich auf eine Zusammenarbeit mit ihr ein? Noch unverständlicher, sollte die Post über die drohende Insolvenz von Scytl überrascht worden sein.
Fakt ist: Das Vertrauen in die Demokratie hat arg gelitten, seit die gravierenden Mängel vor einem Jahr an die Öffentlichkeit gelangten. Notabene, nachdem sich die Post selbstbewusst diesem Stresstest gestellt hatte. Ob die Post dieses Vertrauen zurückgewinnen kann?
Goetschi erklärt nämlich: Die Post baue das interne Knowhow zur Kryptografie und das E-Voting-Entwicklungsteam schrittweise aus. Man wolle ein unabhängiges System entwickeln, Made in Switzerland. «Die Post nimmt so die in der öffentlichen E-Voting-Debatte geäusserten Bedenken gegenüber der Rolle von ausländischen Lieferanten ernst», so Goetschi.
Elektronische Stimmabgabe: Schwieriger als gedacht
Nicolas A. Rimoldi fühlt sich indes in seiner Kritik an Scytl bestätigt. «Nun zeigt sich, dass die Post diesem Unternehmen niemals die Zukunft unserer Demokratie hätte anvertrauen dürfen», sagt der Kampagnenleiter des E-Voting-Moratoriums. Dieses stellt sich nicht grundsätzlich gegen E-Voting, möchte den Prozess aber verlangsamen, um kontraproduktive Schnellschüsse zu verhindern.
Das E-Voting-Desaster zeige, so Rimoldi, dass man bei der digitalen Transformation viel vorsichtiger vorgehen müsse, um die Sicherheit der Schweiz nicht zu gefährden. Scytl und die Post erweisen den E-Voting-Turbos diesbezüglich einen Bärendienst.
«Der Konkurs von Scytl ist der endgültige Beweis, dass sich die Post mit ihren E-Voting-Ambitionen übernommen hat. Ich kann mir nicht erklären, warum sie auf einen derart maroden Partner gesetzt hat.» Denn: Hätte das System von Scytl funktioniert, wäre diese Firma nicht Konkurs gegangen.
Noch unverständlicher, warum die Post für dieses System noch Geld ausgibt. «Dass die Post dieses Schrott-System aufgekauft hat, ist für mich schlicht nicht nach-vollziehbar», so Rimoldi. «Das Vertrauen in das E-Voting-System von Scytl ist total verspielt – dabei haben alle Kontrollinstanzen versagt: Neben Scytl selbst auch die Post, die E-Voting-Turbos und die Bundeskanzlei.»
Für Rimoldi ist klar: Soll E-Voting künftig eine Chance haben, müsse dieses Vertrauen zurückgewonnen werden. «Wir appellieren daher an die Post, das E-Voting-System von Scytl endlich fallen zu lassen.»