Roger Köppel geht: Ist das jetzt schlimm?
Weltwoche-Chef Roger Köppel will nur noch bis Herbst SVP-Nationalrat sein. Der Aufschrei bleibt aus. Zurecht? Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- «Weltwoche»-Chef Roger Köppel tritt im Herbst nicht zur Wiederwahl als Nationalrat an.
- Damit verschwindet eine prominente und kontroverse Figur aus dem Bundeshaus.
- Aber ist das wirklich schlimm? Ein Kommentar.
Er ist das Enfant terrible des Schweizer Journalismus, aber genau so der SVP: Roger Köppel, Verleger und Nationalrat. Jetzt will er eins von beiden an den Nagel hängen und im Herbst bei den nationalen Wahlen nicht mehr antreten. Um, wie so mancher, mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen, wobei seine Familie eben «Weltwoche» heisst und seine «volle Aufmerksamkeit» erfordere.
Er geht, wie er gekommen ist: abrupt
Im Februar 2015 gab Roger Köppel seinen Beitritt zur SVP bekannt und seine Kandidatur für die Wahlen im Herbst gleichen Jahres. Acht Jahre später, mit gleichem Vorlauf zu den Wahlen, geht es nun in die andere Richtung. Zwei Legislaturen sind ihm genug, auch wenn er um die Wiederwahl alles andere als bangen müsste.
Das ist löblich, kommt doch immer wieder Kritik an Sesselklebern auf, die in der eigenen Partei einen Talentstau provozieren. Wobei das mit dem Provozieren ja eigentlich das Steckenpferd Köppels wäre. Darauf müssen das Parlament, die Bundeshausjournalisten, aber auch die SVP-Fraktion nun verzichten. Ein herber Verlust?
Niemand ist unersetzlich
Die Antwort lautet, wie so oft in der Politik: Es kommt drauf an. Natürlich hat Köppel bisweilen in der Wandelhalle seinen durchaus vorhandenen Humor durchblitzen lassen. Damit konnte er eine ganze Runde nicht-zahlenden Publikums unterhalten. Aber, wer weiss, vielleicht wird ja nun an seiner statt eine mindestens so lustige SVP-Politikerin gewählt.
Gar nicht mal so sehr vermisst werden wird Köppel von der SVP-Fraktion, abgesehen davon, dass er natürlich mit seinem hohen Bekanntheitsgrad Stimmen lieferte. Während seiner humorloseren Episoden geht man ihm auch innerparteilich eher aus dem Weg. Denn wehe, wenn er loslässt: Roger Köppel kann auch Parteikollegen schonungslos in die Pfanne hauen. So wurden selbst Vorzeige-Exemplare wie Toni Brunner oder Albert Rösti schon zur Zielscheibe des «Weltwoche»-Verlegers.
Den Verlust Köppels verschmerzen können auch die Bundeshausjournalisten. Denn er bleibt uns ja erhalten: Als täglicher Video-Blogger und konsequent andersmeinender Journalistenkollege. Dort spielt die Musik, nicht im Parlament, wo er meist eh nur unterbrechungsresistent den Laptop im Zweifingersystem malträtiert. Oder die «bitte nicht stören»-Miene aufsetzt, weil er mit Selfiestick gerade videobloggt. Was uns zum eigentlichen Kernpunkt bringt.
Ein Parlament ohne Köppel ist… wie mit Köppel
Nationalrätlich bekannt ist Roger Köppel vor allem als Absenzenkönig: Hunderte, ja Tausende Abstimmungen hat er verpasst, mehr als jeder andere. Dafür mag es Gründe geben und einige viel beschäftigte Milizpolitiker sind ihm diesbezüglich auch dicht auf den Fersen. Doch wie sieht das Palmarès des sich vor dem Knöpfchendrücken drückenden denn sonst so aus?
Genau 60 Mal ist Roger Köppel in seiner Amtszeit bis jetzt ans Mikrofon getreten. Das ist nicht wahnsinnig viel, liegt aber im Rahmen und in der 55-köpfigen SVP-Fraktion kommt man als schüchterner Brillenträger wohl kaum zu Wort. Die meisten Wortmeldungen dürften indes keine Reden, sondern kurze («Kurze!», sagt der Nationalratspräsident) Fragen an andere Redner gewesen sein.
Denn als Kommissionssprecher hat sich Köppel beispielsweise genau einmal in acht Jahren verpflichten lassen. Umgekehrt hat er sich ebenso wenig mit seinen Ideen eingebracht: Nur neun Vorstösse stammen aus seiner Feder, beziehungsweise seinem bemitleidenswerten Laptop.
Natürlich ist solche Zurückhaltung vorbildlich, angesichts der Vorstossflut, die das Parlament zu bewältigen hat. Unter allem Durchschnitt ist es trotzdem: Neun, das schafft Parteikollege Michael Graber locker in nicht einmal zwei Jahren seit seinem Amtsantritt.
Der vergleichbar fleissige Wandelhallen-Sitzer und Grünen-Nationalrat Bastien Girod bringt es auf 142, wenn auch in der doppelten Zeit. Die, wie Köppel, ebenfalls 2015 gewählten SVPler Erich Hess und Christian Imark haben 43 und 77 Mal Vorschläge eingebracht oder Fragen beim Bundesrat deponiert.
Fragen kann man immer
Apropos Fragen: Köppels erstes Anliegen als Nationalrats-Neuling war es, vom Bundesrat wissen zu wollen, wie es denn so mit der EU vorwärtsgehe. Ein halbes Jahr später stellte er die genau gleiche Frage noch einmal, mit der erwartungsgemäss genau gleich unbefriedigenden Antwort.
Dann folgten 2017 ganze vier Vorstösse und je einer 2018, 2020 und 2022. Hatte Köppel etwa rund ein Jahr nach seiner Wahl bereits seinen Elan eingebüsst, die Flinte ins Korn geworfen, sein Mütchen gekühlt, schlicht: Aufgegeben, konstruktiv-gestalterisch die Schweiz dank seinem herausragenden Intellekt weiterzubringen? So ein Sesselkleber!