Schweizer Gesetze werden immer länger und komplizierter
Oft ist die Rede von einer «Gesetzesflut» aus dem Bundeshaus: Effektiv hat die Zahl der Bundesgesetze nur minim zugenommen – doch die Regeln werden komplexer.
![Gesetzesflut Regulierungswut Gesetze Verordnungen](https://c.nau.ch/i/dn9X4/900/gesetzesflut-regulierungswut-gesetze-verordnungen.jpg)
Das Wichtigste in Kürze
- Ertrinkt die Schweiz in einer Gesetzesflut aus Bern? Eine Studie liefert Aufschluss.
- Demnach habe die Zahl der Bundesgesetze seit 1972 nur einen minimalen Zuwachs erlebt.
- Die Zahl der Verordnungen nimmt jedoch rapide zu – gleiches gilt für Staatsverträge.
Ab dem 1. Januar 2023 treten über 400 neue Bestimmungen in Kraft, darunter auch die Angleichung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre. In diesem Zusammenhang ist oft die Rede von einer «Regulierungswut» oder einer «Gesetzesflut».
Doch ist dies wirklich ein Zeichen für einen immer grösser werdenden Staat und eine zunehmende Regulierung? Eine Studie der Universität Zürich gibt überraschende Antworten, wie die «NZZ» berichtet.
![Gesetzesflut Regulierungswut Gesetze Verordnungen](https://c.nau.ch/i/BB0D1/900/gesetzesflut-regulierungswut-gesetze-verordnungen.jpg)
Kerstin Noëlle Vokinger und David Schneider haben Tausende von Erlassen aus den letzten fünf Jahrzehnten untersucht. Sie wollten herausfinden, wie sich der Gesetzgebungsprozess verändert hat und wer für die wachsende Regelungsdichte verantwortlich ist.
Viele neue, aber nicht viel mehr Gesetze
Die Zahl der Bundesgesetze hat zwischen 1972 und 2022 nur um etwa 13 Prozent zugenommen. «Das hat uns überrascht», sagt Kerstin Noëlle Vokinger. Aber wie passt das zur allgemeinen Wahrnehmung einer Gesetzesflut?
Viele alte Gesetze verschwinden unbemerkt, während neue hinzukommen. Ein Beispiel dafür ist das Bundesgesetz über verdeckte Ermittlungen, das seit 2013 nicht mehr in Kraft ist.
Mehr Regeln durch Verordnungen
Tatsächlich gibt es immer mehr Vorschriften und Regeln, aber sie sind nicht alle in Gesetzen verankert. Jedes Jahr tritt etwa ein zusätzliches Gesetz in Kraft, während acht neue Verordnungen hinzukommen. Dies ist demokratiepolitisch nicht unproblematisch, da das Parlament und die Bevölkerung hierbei nicht mitreden können.
Die Zahl der völkerrechtlichen Erlasse hat stark zugenommen, was die Globalisierung und Internationalisierung des Rechts widerspiegelt. Allerdings bedürfen nicht alle Staatsverträge einer gesetzlichen Umsetzung auf nationaler Ebene.
Gesetze werden länger und damit komplizierter
Gesetze werden aber immer länger – im Durchschnitt um 39 Wörter pro Jahr. Und damit auch komplexer. Das liegt vor allem daran, dass die zu regelnden Materien komplizierter werden. Aber auch ältere Gesetze wie das Zivilgesetzbuch (ZGB) oder das Obligationenrecht (OR) sind besonders lang.
Vokinger und Schneider glauben, dass dies daran liegt, dass die Materie vor hundert Jahren weniger komplex war. Überdies habe es einen klaren Bedarf für eine Lösung gegeben – zwei Faktoren, die die Gesetzgebung erleichterten. Heute wäre ein so umfangreiches Gesetz wie das ZGB kaum mehr denkbar, wie die «NZZ» berichtet.