Selenskyj im Soldaten-Outfit: Deshalb trägt er keine Anzüge
Präsident Wolodymyr Selenskyj besticht im Soldaten-Outfit – auch in der Schweiz: Damit bringe er auch den Kriegszustand zum Ausdruck, erklärt der Experte.
Das Wichtigste in Kürze
- Wolodymyr Selenskyj tritt in der Öffentlichkeit seit Kriegsbeginn im Militär-Look auf.
- Der Experte weiss: Damit will er auch den Kriegszustand in der Ukraine unterstreichen.
- Man solle erkennen, dass formelle Regeln ausser Kraft gesetzt sind, erklärt Ulrich Schmid.
Oft werden Menschen nach Äusserlichkeiten beurteilt – der erste Eindruck einer Person hängt deshalb nicht selten von ihrer Kleidung ab. Entsprechend überrascht es wenig, dass auch die Garderobe von Politikern regelmässig zu reden gibt.
2014 beispielsweise sorgte US-Präsident Barack Obama mit seinem beigen Anzug für reichlich Negativschlagzeilen. Am G7-Gipfel 2022 gaben Staatsmänner im Junggesellen-Look zu reden. Heute ist es die Garderobe des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die Gesprächsstoff liefert.
Wolodymyr Selenskyj als Fremdkörper zwischen Krawatten
Am Gipfeltreffen mit hochrangigen Vertretern der Schweizer Exekutive und Legislative wirkt der Ukrainer wie ein Fremdkörper. Eingepfercht zwischen eleganten Krawatten und stilsicheren Blazern sticht der olivgrüne Sweater ins Auge: Mit Blick auf die sprichwörtliche «Würde des Hauses» wirkt die Garderobe des Politikers etwas gar einfach gestrickt. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Der Besuch von Wolodymyr Selenskyj war perfekt durchgetaktet und inszeniert: Auch die Garderobe des kriegsgebeutelten Machthabers war sicherlich kein Zufall.
Doch welche Signale versucht der Ukrainer mit seiner militärisch anmutenden Garderobe zu versenden? Nau.ch hat bei einem Politologen Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen um eine Einschätzung gebeten.
Selenskyj bringt Kriegszustand mit Kleiderwahl zum Ausdruck
Der Staatschef wolle signalisieren, dass sich sein Land in einem Kriegszustand befinde, erklärt Schmid. Als Präsident der Ukraine und formeller Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee befinde sich auch Selenskyj im Krieg.
Diesen Kriegszustand bringe Selenskyj auch mit seiner Kleiderwahl zum Ausdruck: «Gesprächspartner und Öffentlichkeit sollen sofort sehen, dass alle formellen Regeln ausser Kraft gesetzt sind.»
In abgeschwächter Form sei ein ähnliches Phänomen beispielsweise auch beim ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras zu beobachten gewesen: Dieser kündigte einst an, dass er erst wieder eine Krawatte tragen würde, wenn das Schuldenproblem in seinem Land gelöst sei.
Schmid ist überzeugt: Angesichts der dramatischen Situation in der Ukraine sei dieses «Kleidersignal» von Wolodymyr Selenskyj verständlich und nachvollziehbar. Konsequenterweise trug Selenskyj dann auch beim Manager-Meeting WEF in Davos seine Militärkluft.
Dass die Schweizer Vertreterinnen und Vertreter ihrerseits in äusserst formeller Kleidung daherkamen, sei ebenfalls richtig: «Damit zeigen sie Respekt für die schwierige Situation, in der sich die Ukraine und ihr Präsident befinden», erklärt Schmid.