So umständlich wird die SVP-DV ohne Zertifikat
Die corona-taugliche Organisation der Delegiertenversammlung der SVP wäre einfacher mit Zertifikatspflicht. Doch genau diese will die Partei abschaffen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die SVP-DV entscheidet am Samstag unter anderem über die Parole zum Covid-Zertifikat.
- Die Versammlung selbst findet entsprechend nicht als Zertifikats-Anlass statt.
- Damit wird ein sehr umständliches Schutzkonzept nötig.
Am kommenden Samstag treffen sich die Delegierten der SVP zur Parolenfassung für die kommenden Abstimmungen. «Ehe für alle», die 99%-Initiative der Juso sowie das Referendum gegen das Covid-19-Gesetz.
Letzteres hat die Junge SVP mitergriffen und richtet sich primär gegen das Zertifikat, welches eine Zweiklassengesellschaft schaffe. Selbstredend wird die DV deshalb nicht auch noch als Zertifikats-Veranstaltung durchgeführt – doch das erweist sich als ziemlich kompliziert.
Ohne Zertifikat im grünen Bereich
Einen Grossanlass ohne Zertifikatspflicht abhalten darf man, wenn weniger als 1000 Personen teilnehmen. Diesbezüglich befindet sich die SVP im grünen Bereich, denn es gibt «nur» rund 840 SVP-Delegierte. Erfahrungsgemäss nehmen nicht alle an der DV teil und so rechnet Emanuel Waeber vom Generalsekretariat mit rund 500 Teilnehmenden.
Waeber zeichnet auch verantwortlich für das acht Seiten umfassende Schutzkonzept der Veranstaltung. Diese darf er in seinem Heimatkanton Freiburg durchführen, im Messezentrum «Forum Fribourg». Von den diversen Räumlichkeiten ist die «Halle 4ABC» genügend gross, damit auch mit zwei Dritteln Kapazität die SVP-Delegierten Platz finden. Das allein genügt aber noch nicht für einen zertifikatsfreien Anlass.
Masken-Obligatorium oder Masken-Pflicht?
Zwar bietet die «Halle 4ABC» vier Bestuhlungsmöglichkeiten oder 1'800 Stehplätze an, aber diese sind nicht Corona-konform. Bei der Seminar-, Theater- und Bankettbestuhlung mit viereckigen Tischen sitzt man zu nahe. Bei der Bankettbestuhlung mit runden Tischen fehlt einem Teil der Delegierten der Blick nach vorn. Also müssen 84 Sechser-Tische her, mit Reserve-Tischen für den Fall, dass mehr als 500 Delegierte teilnehmen.
Weiter müssen alle Delegierten und alle Medienschaffenden sich vorher schriftlich anmelden. Masken hat Emanuel Waeber ebenfalls organisiert: Diese sind laut Schutzkonzept obligatorisch, ausser man sitzt am Tisch. In der Medieneinladung heisst es aber: «Wir empfehlen Ihnen, während der Veranstaltung eine Hygienemaske zu tragen.» Das sei ein Fehler, räumt Waeber ein: Man werde dies den Medienvertretern am Eingang nochmals mündlich mitteilen.
Nichts als Arbeit und trotzdem keine Bewilligung
Das wird die eigens für die Eingangskontrolle abdelegierten drei SVPler und zwei Securitas zusätzlich beschäftigen. Zwei weitere Personen sollen in der Halle selbst die Einhaltung der Masken- und Abstandsregeln durchsetzen. Alle Anwesenden haben sich regelmässig die Hände zu waschen. Eine Garderobe gibt es wegen der Gefahr von Menschenansammlungen nicht: Regenmäntel und Regenschirme seien am Sitzplatz zu deponieren.
Ebenfalls Teil des SVP-Schutzkonzepts ist die Bestätigung, dass dieses korrekt die amtlichen Vorgaben erfüllt. Dazu ist ein Email aus der kantonalen Direktion der Institutionen und der Land- und Forstwirtschaft, Oberamt des Saanebezirks, hineinkopiert. Darin bestätigt eine Praktikantin den Eingang der Anfrage, teilt aber auch mit, dass man gar keine Schutzkonzepte mehr bewillige. Somit liege die Verantwortung einzig und allein beim Veranstalter.
Mit Zertifikat theoretisch weniger kompliziert
Natürlich ginge es auch anders: mit Testen, Impfen und einem Zertifikat. Das kantonale Testzentrum wäre 15 Gehminuten vom «Forum Fribourg» entfernt. Das Impfzentrum befindet sich dagegen im «Forum Fribourg» selbst, auf dem gleichen Stockwerk wie die «Halle 4ABC» und hat auch am Samstag geöffnet. Dass Delegiertenversammlungen ohne umständliches Schutzkonzept möglich sind, zeigen die Grünliberalen, die sich gleichentags in Rüschlikon ZH treffen – mit Zertifikat.
Kein Masken-auf-und-ab, keine Abstands-Polizei, keine Bestuhlungs-Improvisation, keine aufgezwungene Eigenverantwortung, aber dafür wäre eine Garderobe legal. Es bleibt einzig dem Talent der Grünliberalen überlassen, es doch wieder unnötig kompliziert zu machen. Ein «wichtiger Hinweis» prangt gleich zuoberst auf dem Tagesprogramm. «Da wir im Anschluss an die DV einen Apéro und ein Abendessen inklusive Sommerfest durchführen, gibt es kein Mittagessen und nur eine kurze Pause.»
Aber kein Problem ohne grünliberalen Workaround: «Wir empfehlen entsprechend ein ausgiebiges Frühstück beziehungsweise einen Brunch.» Ein Steilpass für die SVP, die darin wohl ein weiteres Abdriften der GLP nach links wittert. Was ist mit denjenigen, die normalerweise wenig oder gar nicht frühstücken oder sich einen Brunch nicht leisten können? Eine Zweiklassengesellschaft droht.