Stimmvolk lehnt Gesetz für E-ID deutlich ab
Das Schweizer Stimmvolk will keine private E-ID, die vom Staat lediglich kontrolliert wird. Über 60 Prozent haben ein Nein in die Urne gelegt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz stimmt gegen den Bundesrat und lehnt die E-ID ab.
- Das Gesetz hätte eine gemischte Lösung mit Staat und Privaten vorgesehen.
- Das Nein ist mit 62 Prozent ziemlich deutlich.
Die Ablehnung der Vorlage überrascht nicht, die Klarheit des Verdikts aber schon: Umfragen rechneten in den Wochen vor der Abstimmung mit einem Nein zwischen 54 und 56 Prozent.
Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) sind aktuell 722 von 2167 Gemeinden ausgezählt. Derzeit lehnen 62,6 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Vorlage ab. Nur rund zwei Dutzend Gemeinden nahmen das E-ID-Gesetz an. Am deutlichsten ist die Ablehnung in einzelnen Gemeinden im Wallis, der Waadt und im Kanton Graubünden.
Digitalisierung muss sich noch gedulden
Nun muss der Bund zurück auf Feld eins. Grundsätzlich hatte im Abstimmungskampf zwar kaum jemand etwas daran auszusetzen, die Digitalisierung voranzutreiben. Umstritten war aber die Rollenteilung von Staat und Privaten im Bundesgesetz über die elektronischen Identifizierungsdienste (E-ID).
Laut Mitte-Präsident Gerhard Pfister ist die Niederlage der E-ID kein Beweis für Misstrauen dem Staat gegenüber: «Für viele war nicht klar, was ist der Anteil der Privaten und was macht der Staat?» Auch schon die Abstimmung zum biometrischen Pass sei damals haarscharf ausgefallen. Die Bevölkerung sei bei solchen Vorlagen «zu Recht sensibel.
Mit dem Gesetz wollte der Bundesrat die sichere Identifikation von Personen im Internet ermöglichen. Nationale und kantonale Behörden argumentierten, dass so im Internet einfacher Verträge abgeschlossen oder Behördengänge erledigt werden könnten. National- und Ständerat verabschiedeten das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste im Herbst 2019 mit deutlichen Mehrheiten.
Das Referendum gegen die Vorlage wurde von der Digitalen Gesellschaft lanciert und von SP, Grünen, Piratenpartei, VPOD unterstützt. Die Internet Society Switzerland, Verein Public Beta, Grundrechte.ch sowie Seniorenorganisationen schlossen sich ebenfalls an. Auch der Gewerkschaftsbund (SGB), Travail Suisse, die GLP, die EDU und die Junge EVP fassten die Nein-Parole.
Nein zur E-ID: Datenschutz im Mittelpunkt
Die Gegnerschaft kritisierte vor allem die Rolle der privaten Unternehmen, welche die E-ID ausstellen sollen. Denn gemäss Gesetz wären die Bundesbehörden lediglich für die Identifizierung einer Person zuständig gewesen.
Es dürfe nicht sein, dass Daten in die Hände privater Firmen gelangten, die kommerzielle Interessen hätten, argumentierte das Referendumskomitee. Eine E-ID sei nur dann vertrauenswürdig, wenn sie staatlich sei. Der Bund müsse also selber eine E-ID anbieten und den Datenschutz gewährleisten.
Die Befürworter des E-ID-Gesetzes verwiesen dagegen auf die strengen Datenschutzvorschriften. Das Parlament habe den Datenschutz noch verstärkt. Der Eidgenössische Öffentlichkeits- und Datenschutzbeauftragte (Edöb) setzte sich ebenfalls für die Vorlage ein. Auch, weil seine Rolle mit dem neuen Gesetz gestärkt worden wäre.
Künftig sollte eine staatliche Kommission für die Anerkennung der Aussteller von E-ID zuständig sein und diese auch beaufsichtigen. Konkret hätten die Anbieter einer E-ID die Daten zur Person und Transaktion nicht zusammenführen oder für andere Zwecke verwenden dürfen. Zudem hätten die Transaktionsdaten nach sechs Monaten gelöscht werden müssen.
Schweizer Lösung hätte Innovationsgeist angetrieben
Eine gewisse Marktfreiheit für Anbieter sei gut und fördere den Innovationsgeist, hielten die Befürworter fest. Als Herausgeberin in den Startblöcken stand bereits die Swiss Sign Group, die die Swiss ID betreibt. Zum Konsortium gehören Post, SBB, Swisscom, Börsenbetreiber Six, Grossbanken und Versicherungen.
An die Stelle der Passbüros würden Unternehmen wie Banken und Versicherungen treten. Diese würden dann sensible Daten der Bürgerinnen und Bürger verwalten, warnten die Kritiker der Vorlage. Sie erachteten das Missbrauchspotenzial und die Risiken als zu gross, etwa bei einem Datendiebstahl.
Eine elektronische Identität sei unumgänglich, wolle die Schweiz nicht ins Hintertreffen geraten, hielten die Befürworter dagegen. «Das Schweizer E-ID-Gesetz ist eine Chance, die wir nicht verpassen sollten», appellierten verschiedene Kantone, Gemeinden und Städte. Sie verwiesen im Abstimmungskampf auch auf die Freiwilligkeit einer E-ID. Der Gang an den Schalter werde bei einem Ja nicht verunmöglicht.