SVP sorgt mit Vorstoss zur Zuwanderung für Kritik
Die SVP will die Zuwanderung mit einem neuen Trick bremsen. Gegner werfen der Partei vor, sie wolle damit vor allem das geplante EU-Vertragspaket torpedieren.

Das Wichtigste in Kürze
- Die SVP wollte die Schutzklausel aktivieren, um die Zuwanderung zu begrenzen.
- Andere Parteien kritisieren den Vorstoss als gezielten Angriff auf das EU-Vertragspaket.
- Die zuständige Kommission lehnte den Antrag ab, doch die Diskussion ist nicht vorbei.
Die SVP hat bereits Anfang Jahr versucht, eine sogenannte Schutzklausel gegen hohe Zuwanderung zu aktivieren.
Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher enthüllte dies am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung in Zürich. «CH Media» berichtete zuerst. Das Publikum sei überrascht gewesen, weil bisher niemand vom Plan der SVP gewusst habe.
Geheimer Vorstoss der SVP in der Kommission
Aktiv wurde die SVP in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. Martullo-Blocher selbst ist dort zwar kein reguläres Mitglied, sprang aber Mitte Januar für einen Parteikollegen ein.
In der Sitzung stellte die SVP den Antrag, dass die Schweiz die Schutzklausel in Kraft setzt.
SVP-Nationalrat Franz Grüter verteidigt das Vorgehen: «Die Zuwanderung in die Schweiz ist enorm hoch, und die Masseneinwanderungsinitiative von 2014 wurde immer noch nicht umgesetzt. Der Bundesrat sollte darum umgehend versuchen, die Schutzklausel zu aktivieren.»
Doch so einfach ist das nicht. Die Schutzklausel ist im Abkommen zur Personenfreizügigkeit geregelt: Bei «schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen» kann der sogenannte Gemischte Ausschuss zusammenkommen, um Massnahmen zu prüfen.
Kritiker bemängeln, dass diese Klausel wenig konkret ist. Mit dem neuen EU-Vertrag könnte sie jedoch schärfer gefasst werden. Der Bundesrat arbeitet derzeit an einer innerstaatlichen Umsetzung im Ausländergesetz.
«Grober Unfug»
Bei den anderen Parteien sorgt der SVP-Vorstoss für Kopfschütteln. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer kritisiert gegenüber CH-Media: «Soll man die Schutzklausel anrufen, während das neue Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU finalisiert wird? Das wäre grober Unfug. Der SVP geht es alleine darum, den Abschluss der Verträge zu torpedieren.»

Auch FDP-Nationalrat Simon Michel stellt klar: Die aktuelle Schutzklausel kann nicht einfach einseitig aktiviert werden. Erst mit den Bilateralen III wäre das möglich.
Mitte-Politikerin Elisabeth Schneider-Schneiter pflichtet ihm bei: Eine Beschränkung der Zuwanderung sei nach geltendem Recht nur in Ausnahmefällen erlaubt – und diese Voraussetzungen seien aktuell nicht erfüllt. «Eine Zustimmung zu den Bilateralen III ist deshalb durchaus auch im Interesse der SVP», meint sie.
SVP sieht neue Klausel als «Zückerchen»
Doch genau daran hat Martullo-Blocher Zweifel. Sie glaubt nicht, dass die neue Schutzklausel wirklich Wirkung zeigen wird. In den Augen der SVP sei sie lediglich ein Zückerchen, um das grösste Manko des neuen Vertrags auszugleichen: den Verlust an Souveränität.
Fakt ist: Die ausländische Wohnbevölkerung in der Schweiz ist 2023 um 83'400 Personen gestiegen, die Nettozuwanderung lag bei 99'000. Zwar ein Rückgang um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch immer noch deutlich höher als in den fünf Jahren vor der Pandemie.
Martullo-Blocher argumentiert, dass die bereits bestehende Schutzklausel im Personenfreizügigkeitsabkommen nie genutzt wurde, weil die Bedingungen nicht als erfüllt galten. Im neuen EU-Vertrag sei die neue Klausel wortwörtlich identisch. Das macht ihr wenig Hoffnung auf eine Änderung.
Die grosse Frage bleibt: Warum setzt die SVP gerade jetzt auf dieses Instrument? Klar ist: Ihr Antrag in der zuständigen Kommission scheiterte – doch die Debatte dürfte damit noch nicht beendet sein.