SVP will jetzt doch wieder Party-Verbot
Eben noch hat die SVP dringend die Aufhebung der Sperrstunde gefordert. Kaum darf man wieder die Nacht durchfeiern, fordert sie: «Schluss mit Party!»
Das Wichtigste in Kürze
- Die SVP fordert «Schluss mit Party» angesichts der steigenden Corona-Fallzahlen.
- Zuvor hatte die SVP aber die Aufhebung der Sperrstunde gefordert.
- Linke Politiker kritisieren die SVP-Vorwürfe gegenüber dem Bundesrat.
Stirnrunzeln bei Grünen-Präsident Balthasar Glättli: «Sind das die Gleichen, die gerade noch die Aufhebung der Sperrstunde gefordert haben?» Die Antwort gibt er sich gleich selbst: «Ja.» Die Gleichen sind in diesem Fall die SVP. Sie prangert jetzt «das verantwortungslose Laissez-faire in den linken Städten» an und fordert «Schluss mit Party und offenen Grenzen.»
«Wischiwaschi-Kurs» und Corona-Tote
Der Superspreader-Event im Flamingo Club in Zürich hat alle aufgeschreckt: 300 Personen in Quarantäne, Club-Schliessung droht. War die schrittweise Lockerung der Corona-Massnahmen durch den Bundesrat etwas gar voreilig-naiv? Davor warnt jedenfalls die SVP und fordert jetzt ultimatives Einschreiten des Bundesrats. Denn Partygänger würden weitere Tote in Kauf nehmen, «nur um das Party-Vergnügen nicht zu stören».
Mitte Juni klang es bei der SVP ebenso ultimativ in die andere Richtung. «Insbesondere die Abstandsregeln in der Gastronomie und die Sperrstunde um Mitternacht müssen jetzt fallen», verlangte Parteipräsident Albert Rösti. Für die Gastronomie strikte Schutzkonzepte zu verlangen und andere frei feiern lassen, gehe nicht. Für die einen ist das ein «Wischiwaschi-Kurs», linke Politiker dagegen finden es ziemlich typisch für die SVP.
Es ist nicht einfach
«Die SVP kann in der Krise vor allem eines: Es immer besser wissen als alle anderen», kritisiert SP-Nationalrätin Mattea Meyer. Zuerst vom Bundesrat mehr Veranstaltungen, dann weniger Party zu fordern: «Das geht nicht auf», findet darum auch SP-Nationalrätin Samira Marti. «Sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen, ist einfach nur billig», findet die Baselbieterin.
Marti zeigt hingegen ein gewisses Verständnis für die sich zuwiderlaufenden SVP-Forderungen. «Hier zeigt sich, wie schwierig es ist, eine Regelung zu finden, die gleichzeitig Rücksicht auf die Wirtschaft und die Gesundheit nimmt.» Für Balthasar Glättli ist dagegen klar: «Die SVP muss sich halt festlegen.»
Breitseite gegen Krisenmanagement der SVP
«Entweder sind sie die Speerspitze derer, die alles wieder erlauben wollen. Oder sie sind bei den anderen», so der Vorwurf von Glättli an die Adresse der SVP. Null Verständnis auch bei Mattea Meyer, die – als designierte Co-Parteipräsidentin – pflichtbewusst die parteipolitischen Unterschiede herausschält.
«Anstatt nur zu kritisieren, könnten sie auch endlich das betroffenen Gewerbe unterstützen», so Meyer. Doch im Gegensatz zur SP wehre sich die SVP dagegen. Die Volkspartei wolle nicht, dass Kleinbetriebe und Selbstständige in der Veranstaltungsbranche weiterhin eine Corona-Entschädigung erhalten und Mieterlass bekommen.
Spitze gegen SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli
Schon klar: Die SVP sagt zwar «Party», meint damit aber nicht die skandalösen Vorgänge im Flamingo Club. Dieser hätte ja eigentlich eben ein Schutzkonzept haben sollen. Sondern die Technoparty auf dem Vorplatz der Berner Reitschule – die aber sogar von der Reitschule selbst kritisiert wird. Die Vorschriften nicht eingehalten haben allerdings beide Veranstaltungen.
Die SVP-Forderung, der Bundesrat müsse «illegale Partys sofort verbieten», dürfte Juristen verblüffen. Doch Glättli bietet auch Hand: «Natürlich gibt es da auch noch eine Grauzone – eventuell finden wir uns ja gar bei einer Maskenpflicht im ÖV». Doch mit Maske Party machen: «Das stelle ich mir schwierig vor, an der Bar mit Maske was trinken noch schwieriger.»
Ohne realistisches Schutzkonzept müsse man Discos und Clubs konsequenterweise die Öffnung verbieten, so Glättli. Um bei aller Handreichung gleich noch eine Spitze gegen die Zürcher SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli nachzuschieben. Diese fühlte sich vom Bund im Stich gelassen. Doch, findet Glättli: «Man braucht keine Lageanalyse des BAG, um zu wissen, dass in Clubs das Ansteckungsrisiko hoch ist.»