Tempo 30: Autolobby wirft Sommaruga «Umerziehung» vor
Der Bundesrat will mehr Tempo 30. Während die Linke jubelt und die Vorzüge für Velofahrer preist, geht ACS-Präsident Thomas Hurter (SVP) auf die Barrikaden.
Das Wichtigste in Kürze
- Lokale Behörden können Tempo 30 künftig ohne separates Gutachten anordnen.
- Der Bundesrats-Entscheid wird heftig diskutiert. Die Velo-Lobby jubelt.
- ACS-Präsident Thomas Hurter (SVP) hingegen ist stinksauer und spricht von «Umerziehung».
Der Verkehr auf Schweizer Strassen soll gemächlicher und damit sicherer werden. Deshalb hat der Bundesrat beschlossen, dass Städte und Gemeinden keine Gutachten für neue Tempo-30-Zonen mehr einholen müssen.
Dadurch wird die Einführung neuer Langsam-Strassen wesentlich einfacher. Hinzu kommt: Die lokalen Behörden müssen nicht einmal mehr mit der Verkehrssicherheit argumentieren. Es reicht eine angestrebte «Erhöhung der Lebensqualität» als Begründung.
SP-Aebischer hofft auf «flüssigeren» Verkehr dank Tempo 30
Der Entscheid wird landesweit kontrovers aufgenommen. Zufrieden zeigt sich SP-Nationalrat Matthias Aebischer, der den Verein «Pro Velo» präsidiert. «Die bisherige Praxis mit den Gutachten war kompliziert, aufwändig und unübersichtlich», sagt er.
Je nach Situation werde der Verkehr nun flüssiger, glaubt der Stadtberner. Viel wichtiger aber: Für Fussgänger und Velofahrerinnen seien die Strassen künftig «in jedem Fall weniger gefährlich», lobt Aebischer den Bundesrat.
ACS-Chef spricht von «Missachtung des Volkswillens»
Ganz anders tönt es bei der Autolobby. «2001 gab es eine Volksabstimmung für Tempo 30, die klar abgelehnt wurde», beklagt sich Thomas Hurter, Präsident des Automobilclubs der Schweiz (ACS). «Der Bundesrat missachtet den Volkswillen eindeutig.» Tatsächlich sagten am 4. März 2001 fast 80 Prozent der Stimmenden Nein zum Anliegen.
Hurter befürchtet, dass die Rechtssicherheit in Gefahr gerate, weil keine Gutachten mehr nötig seien. Ausserdem würde der öffentliche Verkehr ebenfalls beeinträchtigt und es werde mehr Ausweichverkehr geben. Für den SVP-Nationalrat ist klar: «Das ist eindeutig politisch getrieben. Das Departement von Simonetta Sommaruga will die Bevölkerung umerziehen.»
Die Verkehrsministerin betreibe «knallhart Politik für die SP-Wähler in den linken Städten». Erstaunlich sei, dass der Entscheid vom «eigentlich bürgerlichen Gesamtbundesrat» gutgeheissen worden sei.
Sicher ist: Die neuen Regeln gelten bereits ab 1. Januar 2023. Wie viele Behörden von der neuen Freiheit zu Tempo 30 Gebrauch machen, wird sich zeigen.