Ukraine Krieg: Wann sanktioniert Bundesrat Putins Generäle?
Die Schweiz riskiere, nicht mehr ernst genommen zu werden, sagt Korruptions-Experte Mark Pieth zu den nicht-sanktionierten Putin-Kadern.
Das Wichtigste in Kürze
- Diverse Top-Kaderleute Putins fallen bei Schweizer Sanktionen durchs Raster.
- Experte Mark Pieth zweifelt an der Kompetenz des Bundesrats.
- Das Ausland werde so die Schweiz nicht ernst nehmen.
«Der Bundesrat ist sich dieser Tatsache bewusst», heisst es beim für Sanktionen zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Bewusst, dass fünf hochrangige Russen von der Schweiz nicht sanktioniert werden. Obwohl die EU dies tut und obwohl sie, wenn schon, zu den ersten gehören sollten, die auf einer Sanktionsliste landen. «Das ist hochgradig problematisch und mit Logik nicht nachzuvollziehen.»
«Begründung ist alles andere als überzeugend»
Denn es handelt sich um Top-Leute wie den Chef des Militärgeheimdiensts GRU und den Chef der Nationalgarde. Hinzu kommen solche, die eher im Hintergrund agierenden: der Vize-Verteidigungsminister, der Generalstaatsanwalt und den stellvertretenden Leiter der Präsidialverwaltung.
Bei letzterem, Sergei Kirijenko, darf die Funktionsbezeichnung nicht über seine hohe Relevanz hinwegtäuschen. Der Nachrichtendienst des Bundes hat schon im Lagebericht 2018 die Präsidialverwaltung als «eines der wichtigsten Steuerungs- und Kontrollinstrumente» Putins identifiziert. Schlüsselperson sei ein gewisser Sergei Kirijenko: Gut vernetzt mit dem direkten Umfeld Putins, unterstützt von einflussreichen Bankiers.
Also auch gemäss NDB ein Top-Kandidat für Sanktionen – weshalb er von der EU bereits 2020 sanktioniert wurde. Auslöser war der Giftanschlag auf Alexei Nawalny, also eine «thematische Sanktion». Solche hat der Bundesrat aber bislang nie übernommen. Die EU hat aber darauf verzichtet, Kirijenko separat auch noch auf der «geografischen» Sanktionsliste zum Ukraine-Krieg aufzuführen.
Auf diese Weise schlüpfen Sergei Kirijenko, Nationalgarde-General Viktor Solotow oder Geheimdienst-Boss Igor Kostjukow in der Schweiz durch die Maschen. Das irritiert Schweizer Parlamentarier, die vom Bundesrat ein Nachbessern fordern. «Die Begründung ist alles andere als überzeugend», meint auch Korruptions-Experte Mark Pieth dazu. «Warum sollten Leute, die es verdienen, auf der Liste zu sein, nicht sanktioniert werden?»
Bundesrat müsste Beschluss fassen – hat aber noch nicht
Die Frage der allfälligen Übernahme der «thematischen» Sanktionen der EU werde derzeit bundesintern diskutiert, heisst es beim diesbezüglich federführenden Seco. «Der Bundesrat hat dazu noch keinen Beschluss gefasst.» Ob und wann der Bundesrat sich diesem Grundsatzentscheid widmet, ist indes offen.
Eine Situation die sich, vorsichtig formuliert, nicht ganz mit den Erwartungen von Mark Pieth an Schweizer Beamte deckt. Geschweige denn mit denen der Ukraine, die die Schweiz zur Sanktionierung auch dieser Personengruppe auffordert. «Nicht nur das Ausland, auch die Schweizer Bevölkerung hat einen Anspruch darauf, dass der Bundesrat kompetent handelt», meint Pieth vielsagend.
Zwar bestätigte Wirtschaftsminister Guy Parmelin, dass der Bundesrat sich dem Thema baldmöglichst annehmen müsse, doch seither sind vier Wochen vergangen. Es werden wohl, wie Parmelin ankündigte, die Folgen solcher Massnahmen geprüft, denn: «Es ist ein komplexes Thema.» In der gleichen Medienkonferenz betonte der Bundesrat auch, die Sanktionsliste der Schweiz entspreche nun vollständig derjenigen der EU.
Bald der nächste Vorwurf à la «Gehilfin Putins»?
Strafrechtsprofessor Mark Pieth sieht derweil neue Gefahren für die Schweizer Reputation am Horizont. Letzte Woche hatte eine US-Kommission die Schweiz bereits wegen Schlupflöcher im Geldwäschereigesetz als «Gehilfin Putins» bezeichnet. Das EDA reagierte pikiert, doch Putin-nahe Kreise nicht zu sanktionieren, wäre in diesem Zusammenhang «schwierig für die Schweiz», warnt Pieth.
«Weil man im Ausland nur darauf wartet, dass wir das eine sagen und das andere tun.» Den Beteuerungen des Bundesrats zum Trotz wird so die Schweiz ihren Ruf aus Bankgeheimnis-Zeiten erst recht nicht los. Oder in den Worten von Pieth: «Man glaubt uns nicht, dass wir es ernst meinen.»