Das erste Paket zur Umsetzung der Pflegeinitiative wurde verabschiedet. Im Vorfeld einer «Arena» zur Pflegepolitik ist die Stimmung aber aggressiv.
Pflege «Arena»
Personen demonstrieren am Tag der Pflege im Mai 2022 in Bern. Der Personalmangel hält an und die «Arena» möchte den Pflegenotstand thematisieren. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Pflegeinitiative wurde 2021 als erste linke Volksinitiative seit Langem angenommen.
  • Seither arbeiten Bund und Kantone an der Umsetzung, doch der Notstand verschärft sich.
  • Wird die Stimmung und der Dialog zwischen Pflegepersonal und Politiker konfrontativer?
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In den letzten Monaten häuften sich Berichte über den Fachkräftemangel in der Pflege. Und über die Forderungen des Pflege-Berufsverbands (SBK), um den Mangel zu lindern.

Politisch hat sich schon ein bisschen etwas getan: Ende November 2022 stimmte das Parlament einem Bundesgesetz für die Ausbildungsoffensive von Pflegefachkräften zu. Das ist das erste Paket der Pflegeinitiative, die umgesetzt werden muss. Doch die Ausbildung von genug Personen kostet viel Zeit.

SVP-Bircher: «Bin vielen Pflegenden ein Dorn im Auge»

Der «Pflexit», der Abgang von Pflegefachkräften, ist auch Thema der nächsten «Arena»-Sendung. Eingeladen sind nebst SBK-auch vier Politiker: Eine von ihnen ist Nationalrätin Martina Bircher (SVP/AG). Die Reaktionen darauf fielen seitens der Pflegenden negativ bis wütend aus.

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Martina Bircher, Nationalrätin SVP, in der «Arena»: «Die Initiative betrifft nur die privilegierten Pflegenden mit Bachelor- oder Masterabschluss.» - SRF

Bircher ist nämlich vielen Pflegefachpersonen, die politisch interessiert sind, ein Dorn im Auge. Das sagt sie selber in ihrer Antwort auf die Anfrage von Nau.ch. Die Gesundheits- und Sozialpolitikerin bemängelt die Dialogbereitschaft der Personen, die sie kritisieren.

Martina Bircher Pflege «Arena»
In der ersten «Arena» zur Pflegeinitiative habe Martina Bircher bewiesen, dass sie «nicht die leiseste Ahnung vom Thema Pflege und/oder Gesundheitswesen» habe, sagt diese Pflegefachfrau.
Martina Bircher «Arena» Pflege
Oder sie habe «Stuss» erzählt, schreibt der Geschäftsführer der SBK Zürich/Glarus/Schaffhausen, Kuno Betschart, ein diplomierter Pflegefachmann.
Martina Bircher Pflege «Arena»
Bircher habe «keine Ahnung» von Pflege und rede das Thema kaputt, sagt diese Nutzerin.

Diese seien «am ganz linken Rand» und versuchten, «Andersdenkende mundtot zu machen». Sie habe als Gesundheitsvorsteherin «eine andere Rolle als diese ‹Pflege-Aktivisten›», sagt die Vizeammann von Aarburg: Sie sei direkt für die stationäre und ambulante Pflege vor Ort verantwortlich.

SBK und SVP-Pflegefachfrau kritisieren Titel der «Arena»

Auf Anfrage äussert sich der SBK zu den Reaktionen auf das Thema und die Gäste der «Arena»: Einerseits habe der Titel – «Pflegepersonal am Limit – kommt’s jetzt zum Pflexit?» – «enorm getriggert», so der Verband. Denn viele Pflegende, die unter den Arbeitsbedingungen litten, hätten keine Veränderung seit der Abstimmung gesehen. Dass dann noch infrage gestellt werde, ob es einen Mangel an Fachkräften gebe, sei vielen sauer aufgestossen.

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Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, nach der gewonnenen Abstimmung über die Pflegeinitiative. - Keystone

Der Titel sei wirklich das Problem, bestätigt Nicole Roth. Sie ist Expertin in Intensivpflege, aber auch Präsidentin der JSVP Baselland. «Seit geraumer Zeit besteht eine Abwanderung des Pflegepersonals», so Roth. «Wenn die ‹Arena› das Gefühl hat, damit ein aktuelles Thema aufzugreifen, haben sie wohl den längsten Winterschlaf hinter sich.

Andererseits sei auch die Gästewahl nicht hilfreich, gibt die junge Politikerin zu denken. Inkompetenz sei der falsche Begriff, um Martina Bircher zu bezeichnen, sagt Roth. Sie sei jedoch persönlich der Meinung, es wäre für die Diskussion «hilfreicher gewesen, eine Fachperson von vorderster Front» einzuladen. Sprich, jemand, der am Patienten oder zumindest in der Pflegebranche tätig sei.

Pflege Roth JSVP
Nicole Roth, JSVP-Präsidentin BL und Expertin in Intensivpflege. - zVg

Sind die Fronten aber so verhärtet, dass kein Dialog mehr möglich ist? Nein, betont der SBK, mit den Arbeitgebern arbeite der Verband sehr eng zusammen. Und mit Politikern von links bis rechts stehe man auch in Kontakt. Auch Roth hat Forderungen an ihre Partei: Die Intensität der Schichtplanung sei beispielsweise zu hoch.

Kommt das mit der Pflege gut?

«Die SVP könnte sich für ein Entlastungsmodell im Sinne von 80 Prozent arbeiten zu 90 Prozent Lohn stark machen.» Roth sei überzeugt, dass dies finanzierbar wäre. Die aufgeladene Stimmung ist also «nur» wegen der politischen Debatte-Sendung «Arena» so, wie sie ist.

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