Vorbild Schweiz – Jans: Europa muss mehr gegen Kindesmissbrauch tun
Vor den Mitgliedern des Europarats fordert Bundesrat Beat Jans zum Handeln bei der Aufarbeitung von Kindesmissbrauch auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Justizminister Beat Jans hat Europa zum Handeln gegen Kindesmissbrauch aufgefordert.
- Kindesmissbrauch soll künftig nach Schweizer Vorbild aufgearbeitet werden.
- Es sei Zeit, dass in ganz Europa Betroffene zu ihrem Recht kämen, so Jans.
Bundesrat Beat Jans hat die Mitgliedsstaaten des Europarats zum Handeln bei der Aufarbeitung von Kindesmissbrauchsfällen aufgefordert.
An einer Tagung am Freitag in Strassburg begrüsste der Schweizer Justizminister den ersten wichtigen Schritt der Mitgliedsländer bei diesem Thema.
Der Europarat hatte Anfang des Jahres eine Resolution gutgeheissen, wonach Kindesmissbrauch in den Mitgliedsländern nach Schweizer Vorbild aufgearbeitet werden soll.
Dies war ein grosser Erfolg für Opfergruppen aus ganz Europa. Sie hatten nach dem Muster der Schweizer Wiedergutmachungsinitiative die europäische «Justice Initiative» gegründet.
«Meilenstein»
Guido Fluri, Vater der Wiedergutmachungsinitiative in der Schweiz und Präsident der «Justice Initiative», sagte an der Konferenz: «Diese Resolution ist ein Meilenstein für Europa.»
In der Schweiz sei dank der konsequenten Aufarbeitung bei 12'000 Missbrauchsbetroffenen ein Stück Gerechtigkeit wiederhergestellt worden. «Jetzt ist es an der Zeit, dass auch die Überlebenden von Missbrauch im Rest von Europa Gerechtigkeit erfahren.»
Bundesrat Jans betonte, dass Politikerinnen und Politiker Recht schaffen und es auch ändern könnten. «Mit dem Hinschauen bei Kindesmissbrauch und einem verbesserten Schutz der Kinder können Sie viel zur Stärke Ihres Landes beitragen.»
Lob von der UN
An der Tagung beteiligten sich rund 100 Minister, Botschafter, politische Abgeordnete, Nichtregierungsorganisationen und Missbrauchsopfer aus ganz Europa.
Die UN-Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Kinder, Najat Maalla M'jid, lobte die Schweiz ausdrücklich für ihr Modell der Aufarbeitung. An der Tagung traten mehrere Minister und Politiker auf, die eine Aufarbeitung nach Schweizer Vorbild vorantreiben wollen.
Die französische Abgeordnete Karine Lebon zum Beispiel will in den kommenden Wochen einen Gesetzesvorstoss einreichen. Damit sollen die in den 1960er-Jahren von der Insel La Réunion nach Frankreich verschleppten Kinder eine Entschädigung erhalten.
Adnan Delić, Minister für Arbeit und Sozialpolitik in Bosnien und Herzegowina, kündigte eine Verbesserung des Kindesschutz-Systems an.
Wiedergutmachungsinitiative als Vorbild
In der Schweiz hatte die Wiedergutmachungsinitiative zu einem Gesetz geführt. Dieses stellt die Anerkennung des Unrechts, die wissenschaftliche Aufarbeitung sowie die Solidaritätszahlung ins Zentrum.
Mehr als 12'000 Opfer von Kindesmissbrauch haben dadurch eine offizielle Anerkennung des Unrechts und eine Solidaritätszahlung erhalten. Zudem wurden die Missbrauchsfälle staatlich aufgearbeitet.
Dem 1949 gegründeten Europarat gehören neben der Schweiz 45 weitere Länder mit über 700 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern an.