Wahlen 2023: Geht die SVP als grosser Sieger hervor?
Die Parteien sind in den Startlöchern für die Wahlen 2023. Derzeit dominiert die SVP schon in einigen Kantonen. Kann sie das bis im Herbst beibehalten?
Das Wichtigste in Kürze
- Bei den kantonalen Wahlen in Luzern, Genf und Tessin konnte die SVP Gewinne einfahren.
- Ein Trend, der sich bei den nationalen Wahlen im Herbst fortsetzen könnte?
- Politologe Claude Longchamp ordnet ein.
Im Herbst sind die nationalen Parlamentswahlen. Vergangenes Jahr waren die Erfolgsaussichten der SVP noch sehr vage. Doch der Wind hat gedreht: Am Sonntag haben Luzern, Genf und Tessin das Kantonsparlament gewählt – und die SVP geht als Wahlsiegerin hervor.
Sowohl in Luzern als auch in Genf hat die rechtspopulistische Partei um 3,4 Prozent zugelegt. Auch im Tessin kann sie brillieren: Alle anderen Grossparteien ausser «Die Mitte», also FDP, SP, Grüne und Lega, haben Sitze verloren. Die SVP hingegen gewinnt zwei Sitze dazu.
Die Wahlen in den Kantonen zeichnen ein ganz anderes Bild als bei der «Klimawahl» 2019: Die Grünen können ihre Wähleranteile nicht halten, alles deutet auf einen Rechtsrutsch hin.
Politologe Claude Longchamp erklärt dies gegenüber Nau.ch folgendermassen: «Die erste Hälfte der Legislaturperiode war durch die Pandemie geprägt und hat kaum einer Partei viele Möglichkeiten der Profilierung gegeben. Das ist anders, seit der Krieg in der Ukraine die Grosswetterlage bestimmt.»
SVP fährt Geschütze bei Migrationsthematik wieder auf
Dass heute wieder mehr Leute SVP wählen wollen, habe wenig mit Wechselwählern von anderen Parteien zu tun. Für die Volkspartei heisst es «back to the roots»: Sie thematisiere wieder voll die Zuwanderung, so Longchamp.
Doch bearbeite die SVP ihre grösste Schwäche von 2019 systematisch. «Sie diktiert die Agenda so, dass es ihr nützt. Sie behauptet, es kämen zu viele und die falschen Menschen in die Schweiz. Und sie will, dass Flüchtlinge im Ausland betreut werden.»
Das alles geschehe sehr plakativ und emotional, um die bisherigen SVP-Wählenden, die 2019 zu Hause blieben, wieder zu mobilisieren.
Kann die SP von der CS-Krise profitieren?
Die SP hingegen setze den Fokus auf die Kaufkraft. Ob die SP von der Credit-Suisse-Krise profitieren könne, ist laut Longchamp nicht entschieden. «Wut und Ohnmacht prägen die Gefühlslage. Der Vorwurf an die bürgerlichen Parteien, nach der UBS-Krise versagt zu haben, sitzt.»
«Eindrucksmässig hat die SP punkten können.» Jetzt gehe es darum, welches Konzept zur Krisenbewältigung Bestand habe. «Da haben wohl alle ausser der FDP Vorteile, aber sie müssen sich noch durchsetzen können.» Wer das schaffe, sei aber offen.
Grüne leidet unter radikalisierter Klimabewegung
Die Zeit der Grünen als grosse Hoffnungsträgerinnen sei vorbei, erklärt Longchamp. Die Grünen waren die grossen Sieger der nationalen Wahlen im Jahr 2019. Damals profitierte die Partei von der Klimastreikbewegung, «Die Medienaufmerksamkeit für das Thema und für sie war ihnen sicher.» Aber: «2021 ging die zentrale Abstimmung über das CO2-Gesetz an den Kostenfolgen verloren», streicht der Politologe heraus.
Selbst die Energiewende werde von rechts her wieder infrage gestellt. «Zudem hat sich die Klimabewegung radikalisiert, was nicht mehr alle Supporter von 2019 verstehen. Umfragen zeigen, dass die Grünen gerade bei den U30 am meisten verloren haben.»
Die SP könnte der Klima-Partei Wählerinnen und Wähler abzwacken: «Aktuell für entscheidend halte ich aber, dass die SP mit eigenen Themen wie Sozialversicherungen und Kaufkraft erwacht ist. Da werden die Grünen konkurrenziert. 30 Prozent ihrer Wählenden von 2019 kamen von der SP, da geht ein Teil zurück.»
Bilanz und Ausblick
Für den Experten ist klar: «SVP und SP haben Vorteile, aber sie müssen sich noch durchsetzen. Nach den Abstimmungen vom 18. Juni dürfte die Situation etwas klarer sein.»
Eine Niederlage von Bundesrat und Parlament bei den Volksabstimmungen könnte verschiedene Kräfte mobilisieren: «Beim Klimaschutzgesetz wäre das die SVP, bei der OECD-Mindeststeuer die SP, beim Covid-Gesetz wäre es die ausser-institutionelle Opposition, die jetzt versucht, ins Parlament zu kommen. Möglicherweise gehen aber alle drei Vorlagen durch und die Agenda wird im Sommer neu definiert.»