Darum geht's beim deutschen Polit-Zoff um Scholz & Merz
Vertrauensfrage, Neuwahlen und plattdeutsche Schimpfwörter: In der deutschen Politik geht es gerade drunter und drüber.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Bundestag die Vertrauensfrage verloren.
- Das freut ihn, doch neues Ungemach droht: Streit mit CDU-Chef Friedrich Merz.
- Was steckt dahinter und wie soll es jetzt weitergehen?
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt. Er hat verloren, aber er freut sich auch noch darüber.
Im Gegenzug hat er nun statt mit der FDP mit der CDU von Friedrich Merz einen Hahnenkampf angezettelt. Nau.ch erklärt, was das alles soll und wie es nun weitergeht.
Was genau ist eine Vertrauensfrage?
Die Vertrauensfrage gibt es nicht nur in Deutschland, sondern in vielen parlamentarischen Demokratien. Die Schweiz kennt dieses Instrument allerdings nicht: Es macht vor allem Sinn in Ländern mit Regierungs-Oppositionssystem. Dort dient es dazu, das Parlament wieder auf Linie zu bringen, indem es der Regierung eben das Vertrauen aussprechen muss.
Oft wird die Vertrauensfrage mit einer Sachfrage verknüpft, mit einem Anliegen, das der Regierung besonders wichtig ist. Dem Parlament wird so also etwas das Messer an den Hals gesetzt: Wenn ihr bei der Sachfrage Nein stimmt, stimmt ihr auch gegen die Regierung. Und damit gegen die eigene Partei oder Koalition.
Warum wollte Bundeskanzler Scholz die Vertrauensfrage unbedingt verlieren?
Einfach gesagt: Weil selbst bei ihm das Vertrauen weg ist. Olaf Scholz glaubt nicht mehr an die Ampelkoalition, hat FDP-Chef Christian Lindner auch explizit Vertrauensbruch vorgeworfen. Hier dient die Vertrauensfrage also nicht dazu, die Regierungspartei(en) wieder zu einen. Sondern als Mechanismus, um Neuwahlen gezielt herbeizuführen.
Die CDU war nicht Teil der «Ampel». Warum zofft sich Scholz jetzt mit CDU-Chef Friedrich Merz?
Einerseits, weil Wahlkampf ist und der Hauptgegner für Scholz’ SPD die CDU ist. Schon in seiner Rede im Bundestag bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage machte Scholz primär Wahlkampf und nicht etwa Vertrauensbildung.
Andererseits ergab ein Wort das andere: Olaf Scholz griff seinen ehemaligen Koalitionspartner, FDP-Chef Christian Lindner, an. Dieser habe nicht «die sittliche Reife» für ein Regierungsamt. Dies kritisierte darauf Friedrich Merz als Mangel an Respekt.
Bereits am Sonntag hatte Merz allerdings über Scholz gelästert, dieser sei in der EU isoliert. Gestern doppelte er nach und fand es «zum Fremdschämen», wie sich Scholz in der EU bewege.
Die Retourkutsche von Scholz kam im «heute journal» von ZDF: «Fritze Merz erzählt gern Tünkram», sagte der Bundeskanzler dort. Mit dem Dialektwort aus seiner norddeutschen Heimat unterstellt Scholz Merz, «dummes Zeug» zu verbreiten. In der CDU regte man sich aber mindestens so sehr über die saloppe Benamsung des Kontrahenten auf: Der Friedrich sei im Fall nicht der «Fritze».
Wie geht es jetzt weiter?
Am 23. Februar 2025 sollen aller Voraussicht nach Neuwahlen stattfinden. Damit dieser enge Fahrplan eingehalten werden kann, gelten für gewisse Fristen andere Regeln.
Ansonsten aber ist alles genau gleich wie bei einer regulären Wahl. Sofern es nicht wieder vorgezogene Neuwahlen gibt, finden die übernächsten Bundestagswahlen dann in vier Jahren statt.
Hat Olaf Scholz überhaupt eine Chance, Kanzler zu bleiben – und was ist mit der AfD?
Den ersten Schritt dazu hat Olaf Scholz zumindest geschafft: Die SPD hat ihn erneut als Kanzlerkandidaten nominiert. Der an sich beliebtere Boris Pistorius hatte zuvor verzichtet.
Im direkten Vergleich mit Friedrich Merz liegt Olaf Scholz in Umfragen leicht hinter diesem. Zulegen konnte in den letzten Wochen hingegen die SPD, allerdings auf tiefem Niveau: Sie erreicht nicht einmal 20 Prozent, während die CDU von Friedrich Merz je nach Umfrage 30 Prozent und mehr erreicht.
Die SPD droht hinter die AfD zurückzufallen, die im Moment zwei bis drei Prozent mehr Zustimmung erhält. Dahinter liegen die Grünen (13 Prozent) und das Bündnis Sarah Wagenknecht mit etwa sieben Prozent. Die FDP könnte an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Von den grossen Parteien will niemand mit der AfD eine Koalition bilden. Deshalb geht das ganze nach den Wahlen wieder von vorne los: Möglich wäre eine Koalition CDU und Grüne oder CDU und SPD. Spätestens dann müssten sich Scholz und Merz also wieder vertragen.
