Diskussion um Massnahmen gegen grossflächige Waldschäden nimmt Fahrt auf
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesministerin Klöckner plant Krisengipfel - Grüne fordern eine Milliarde Euro.
«Unser Wald ist massiv geschädigt», sagte Klöckner der «Rheinischen Post» vom Donnerstag. Bundesumweltministerium, Grüne und Umweltschützer sprachen sich für einen Strategiewechsel hin zu naturnahen Mischwäldern und naturbelassenen Urwäldern aus.
Laut Waldbesitzern, Forstexperten und Umweltschützern kommt es bundesweit derzeit zu massiven Waldschäden in einem bisher unbekannten Ausmass. Die Rede ist von einem «Kollaps» ganzer Bestände. Grund ist Umweltstress vor dem Hintergrund der seit vergangenem Jahr anhaltenden extremen Trockenheit. Diese setzt allen Baumarten zu, was sie unter anderem auch anfällig für Schädlinge macht. Dazu kommen Waldbrände und Stürme. Ohnehin gelten zahlreiche Bäume hierzulande seit langem als geschädigt.
Nach Angaben Klöckners starben seit vergangenem Jahr in Deutschland bereits 110.000 Hektar Wald ab. Das entspricht beinahe der Hälfte der Fläche des Saarlands (260.000 Hektar) und mehr als der Fläche des Landes Berlin (89.000 Hektar). Zuletzt hatten verschiedene Verbände, Umweltorganisationen sowie Landesminister Alarm geschlagen. Am Mittwoch forderte der Bund Deutscher Forstleute einen «nationalen Waldgipfel».
Bereits am Donnerstag kommen die für Forstthemen zuständigen Unionsminister aus Bund und Ländern im sächsischen Moritzburg zu einem eigenen Krisentreffen zu dem Thema zusammen. Auch Klöckner folgt der Einladung der sächsischen Landesregierung.
Bei dem für September geplanten «nationalen Waldgipfel» soll es Klöckner zufolge sowohl um kurzfristige Hilfsprogramme zur Wiederaufforstung abgestorbener Waldflächen als auch um eine langfristige Anpassung der Baumbestände an den Klimawandel gehen. «Ein Waldumbau ist eine Generationenaufgabe», sagte die CDU-Ministerium am Donnerstag im Deutschlandfunk. Die Lage sei «dramatisch». Wald sei auch wichtig im Kampf gegen Klimawandel.
Der Staatssekretär im SPD-geführten Bundesumweltministerium, Ulrich Flasbarth, kündigte eine Überarbeitung der deutschen Waldstrategie an. Der Klimawandel mache es notwendig, auf widerstandsfähige Mischwälder zu setzen, sagte er der Zeitung «Tagesspiegel» vom Donnerstag. «Anfällige Fichtenwälder durch anfällige Fichtenwälder zu ersetzen, löst das Problem nicht.»
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte in der «Rheinischen Post» eine «Urwaldoffensive». «Fünf Prozent der Waldfläche wollen wir der Natur überlassen, so dass dort Natur wieder Natur sein kann, ohne menschliche Eingriffe», sagte sie. Von der Bundesregierung forderte sie die Einrichtung eines «Waldzukunftsfonds», um den nötigen Waldumbau in den kommenden zehn Jahren mit einer Milliarde Euro zu finanzieren.
Die Umweltschutzorganisation BUND sprach sich am Donnerstag in Berlin für ein «Waldumbauprogramm» zur Schaffung naturnaher Laubmischwälder in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro sowie ein Hilfsprogramm für private Waldbesitzer über weitere 500 Millionen Euro aus. Der Einsatz von Ministerin Klöckner sei zu begrüssen, dürfe aber nicht in einem «Showgipfel» enden.
Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger forderte ausserdem deutlich mehr Klimaschutz. Die derzeitige «Klimakrise» sei eigentliche Ursache für das «Waldsterben», teilte er in Berlin mit.
Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Waldbesitzerverbände forderte derweil kurzfristige Finanzhilfen des Bundes sowie ein gesamtgesellschaftlichen «Pakt für den Wald». Notwendig sei nun ein «schnelles, unbürokratisches Bundesprogramm zur Wiederbewaldung und Erstaufforstung», sagte Verbandspräsident Hans-Georg von der Marwitz der «Rheinischen Post». Er ist zugleich auch Bundestagsabgeordneter der CDU.
Von der Marwitz forderte zugleich die Anerkennung der Beiträge von Wald und Waldbesitzern zum Klimaschutz. «Wenn wir künftig über eine CO2-Abgabe für Verursacher nachdenken, ist es nur folgerichtig, dass diejenigen, die CO2 speichern wie der Wald, berücksichtigt werden», sagte er.
Der FDP-Forstexperte Karlheinz Busen erneuerte seine Forderung, auch über die Anpflanzung gentechnisch veränderter Bäume und Pflanzen aus anderen Ländern nachzudenken. Der hessische Landesverband der Umweltschutzorganisation Nabu sprach sich dafür aus, die Holzernte über Jahrzehnte zu strecken, um die Wälder zu stabilisieren.