Dramatische Brexit Verhandlungen bringen immer noch keine Lösung
Das Wichtigste in Kürze
- Ob es zu einer Einigung in den Brexit-Verhandlungen kommt, ist unklar.
- Einige der zentralen Punkte sollen noch immer offen sein.
Die grossen Hoffnungen auf einen Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen vor dem EU-Gipfel am Mittwoch sind zerstoben. Damit ist die Wahrscheinlichkeit eines ungeregelten Austritts Grossbritanniens aus der Europäischen Union im kommenden Frühjahr gefährlich gewachsen. Ob es noch zu einer Einigung Brüssels mit London kommt, dürfte auch von der Dynamik des politischen Machtkampfes in der britischen Hauptstadt abhängen.
Dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier und dem britischen Brexit-Minister Dominic Raab gelang auch am Sonntag in Brüssel kein Durchbruch. «Trotz intensiver Anstrengungen sind einige zentrale Punkte noch immer offen», teilte Barnier am Abend nach einer Unterrichtung der EU-Botschafter mit. Dazu gehöre die Vermeidung von Kontrollen an der irisch-nordirischen Grenze.
EU-Sondergipfel möglich
Über das weitere Vorgehen sollen nun die Staats- und Regierungschefs bei einem am Mittwochabend beginnenden EU-Gipfel in Brüssel beraten. Davor werde es keine weiteren Verhandlungen mehr geben, hiess es aus EU-Kreisen. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass danach weiterverhandelt wird. Kommt doch noch rechtzeitig eine Einigung zustande, soll es im November einen EU-Sondergipfel geben, der das Ergebnis billigt. Gelingt das nicht, müssten die EU-Staaten ohne die britische Premierministerin Theresa May beraten, wie es weitergehen soll.
Die britische Regierung sprach am Sonntagabend zwar von «echtem Fortschritt» der Verhandlungen, aber auch von «einer Anzahl ungelöster Fragen» zur irischen Grenze. London strebe weiterhin Fortschritte beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober an.
«Wenn die Verhandlungen jetzt vertagt sind, wird es nach dem EU-Gipfel nicht leichter», prognostizierte der Brexit-Beauftragte der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Elmar Brok. «Offenbar haben Machtfragen im britischen Kabinett die zentrale Rolle gespielt», sagte der Politiker den Zeitungen der deutschen Funke-Mediengruppe. May müsse jetzt «die parteitaktischen Überlegungen abhaken und endlich eine Einigung in der Sache voranbringen». Für die EU müsse die Einheit des Binnenmarktes «auf jeden Fall erhalten bleiben». Für das EU-Parlament sei zudem die Vermeidung einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland als Teil des Austrittsvertrags wesentlich.
Neuer Konflikt
Nach Angaben Barniers wird vor allem genau um diese Frage gestritten, wie Kontrollen an der Grenze auf der irischen Insel verhindert werden können. Eine Garantie dafür macht die EU zur Bedingung für ein Austrittsabkommen. Sie befürchtet, dass der Konflikt in der Ex-Bürgerkriegsregion wieder aufflammen könnte, sollten sich die Menschen nicht mehr ungehindert zwischen den beiden Teilen der Insel bewegen können. Derzeit ist die Grenze fast unsichtbar.
Zur Lösung des Problems war zuletzt im Gespräch, dass Grossbritannien vorerst zeitlich unbefristet Mitglied der Europäischen Zollunion bleibt. Zahlreiche Brexit-Befürworter in Grossbritannien lehnen eine solche Lösung allerdings ab. May muss nach Angaben ihres EU-kritischen Parteifreunds Jacob Rees-Mogg mit Gegenstimmen von mindestens 40 Abgeordneten ihrer Konservativen Partei gegen eine Zollunion-Lösung rechnen.
Zu Hause unter Druck
Mays früherer Brexit-Beauftragter David Davis forderte von May in der «Sunday Times» eine völlig neue Verhandlungsstrategie. Die Nordirland-Partei DUP, auf deren Abgeordnete May im Unterhaus angewiesen ist, drohte ihr sogar mit einem Bruch, wenn sie ihre Zollunion-Pläne weiterverfolge. Als wahrscheinlich gilt, dass diese schwierige innenpolitische Lage Mays die für Sonntag angestrebte Einigung mit Brüssel am Ende verhinderte.
Grossbritannien will die EU nach derzeitigem Stand am 29. März 2019 verlassen. Der Austrittsvertrag und eine politische Erklärung über die künftigen Beziehungen müssen allerdings schon deutlich früher stehen, um Zeit für die Zustimmung der Parlamente auf beiden Seiten zu lassen. Wenn es keine Übereinkunft gibt, dann entfällt auch die vorläufig vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020, in der sich fast nichts ändern soll. Diese Situation könnte aber schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben.