EU-Austritt des Vereinigten Königreichs ist Tatsache
An Neujahr war es so weit: Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs ist Tatsache. Das Land schied endgültig aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Grossbritannien ist endgültig nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion.
- Seit Mitternacht werden an den Grenzen die neuen Zollformalitäten umgesetzt.
- Der Grenzverkehr zwischen Grossbritannien und der EU verlief am Neujahrstag ohne Probleme.
Für Grossbritannien hat eine neue Ära begonnen: Mit dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion wurde der Brexit zur Jahreswende endgültig vollzogen.
Um Mitternacht trat ein Post-Brexit-Abkommen in Kraft, das einen harten wirtschaftlichen Bruch zwischen Grossbritannien und der EU vermeiden soll.
Der britische Premierminister Boris Johnson sprach von einem «grossartigen Moment» für sein Land. Die bislang für 500 Millionen Menschen geltende Freizügigkeit zwischen Grossbritannien und 27 EU-Staaten endete.
Neue Ära nach 47 Jahren
Um 23 Uhr läutete der Glockenschlag von Big Ben das neue Kapitel in der Geschichte des Landes ein. Dies nach 47 Jahren als Teil der europäischen Staatengemeinschaft.
Am Eurotunnel-Terminal in Calais begannen französische Beamte pünktlich um Mitternacht mit der Umsetzung der neuen Zollformalitäten. Beginnend mit einem Lkw, der aus Rumänien kam und Post und Pakete transportierte.
Boris Johnson hält Neujahrsansprache
«Wir halten unsere Freiheit in unseren Händen. Es liegt an uns, das Beste daraus zu machen», sagte Johnson in seiner Neujahrsansprache. Das Vereinigte Königreich könne die Dinge künftig «anders als unsere Freunde in der EU handhaben», sagte Johnson.
Das Land könne «Handelsabkommen rund um die Welt» abschliessen. Dem «Daily Telegraph» sagte Johnson, es solle in jenen Sektoren, «in denen wir besonders gut sind, ein Turbo-Start erfolgt».
Das Boulevardblatt «Daily Express» zeigte auf der Titelseite seiner Freitagsausgabe die britische Flagge mit dem Schriftzug «Freiheit» und titelte: «Unsere Zukunft. Unser Grossbritannien. Unser Schicksal». Mit spürbarer Zurückhaltung nahm die linksliberale Tageszeitung «The Guardian» den Wechsel auf: «In der Krise, ohne Fanfare, beendet das Vereinigte Königreich endlich die europäische Ära.»
Schottland will wieder zu Europa gehören
«Wir müssen unsere eigenen Entscheidungen treffen», verteidigte Maureen Martin, eine Rentnerin aus der englischen Hafenstadt Dover, die Brexit-Entscheidung. Ihrer Ansicht nach hätte Grossbritannien 1973 «nie» der Europäischen Gemeinschaft beitreten sollen.
Johnsons Euphorie und die der Brexit-Anhänger teilte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon nicht: «Schottland wird bald wieder in Europa sein», schrieb sie auf Twitter. Sturgeon ist entschlossen, ein neues Referendum über die Unabhängigkeit des Vereinten Königreichs abzuhalten.
London verliess den Binnenmarkt ohne ein Wort des Abschieds aus der EU: In Brüssel meldete sich in der Nacht zu Freitag keiner der Chefs der europäischen Institutionen zu Wort.
Grossbritannien war zum 1. Februar als erstes Land in der Geschichte der europäischen Staatengemeinschaft aus der EU ausgetreten. Das Post-Brexit-Abkommen, das zahlreiche Handels- und Zollfragen regelt, war erst in letzter Minute am 24. Dezember vereinbart worden.
Das Abkommen soll Chaos in den beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen verhindern. Ohne den Deal hätten ab Freitag Lieferprobleme und lange Grenzstaus gedroht.
Täglich 220 Millionen Formulare
Für einen regulären Ratifizierungsprozess mit der Zustimmung durch das EU-Parlament reichte die Zeit bis zum Jahresende nicht mehr aus. Daher sollen die vereinbarten Regeln zunächst mindestens bis zum 28. Februar übergangsweise angewandt werden.
Nach Einschätzung der «Road Haulage Association» müssen ab sofort täglich 220 Millionen Formulare ausgefüllt werden. Dies, um den Handelsaustausch zwischen Grossbritannien und der EU zu organisieren.
Der Grenzverkehr zwischen Grossbritannien und der EU verlief am Neujahrstag problemlos. Rund 200 Lastwagen durchquerten den Tunnel unter dem Ärmelkanal in «ohne Probleme», wie die Betreiber-Gruppe Getlink» mitteilte.
Einigung im Fall Gibraltar
Wenige Stunden vor dem endgültigen Vollzug des EU-Austritt des Vereinigten Königreichs wurden auch die letzten Stolpersteine aus dem Weg geräumt: Die Regierungen in London und Madrid erzielten eine Grundsatzeinigung über die künftigen Regeln für Gibraltar.
Für die britische Exklave sollen künftig die Bestimmungen des Schengen-Abkommens gelten. Damit sind Grenzübertritte ohne Passkontrolle weiterhin möglich. Ohne die Einigung wäre die Grenze zwischen Gibraltar und Spanien zu einer «harten Grenze» geworden.