EU-Staaten noch weit entfernt von Pariser Klima-Zielen
Wie klimakonform wirtschaften Unternehmen und Staaten? Ein Start-up hat ein Modell entwickelt, um Antworten auf diese Fragen in Grad Celsius auszudrücken – gemessen an den Pariser Klimazielen.
Alle EU-Staaten sind einer Analyse zufolge noch weit entfernt von dem im Pariser Klimaabkommen formulierten Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Das legen Modellrechnungen des Frankfurter Start-ups «Right. Based on Science» auf Basis bereits ergriffener Klimamassnahmen nahe. Nicht eingerechnet sind angekündigte Vorhaben. Darin schneidet Deutschland schlechter ab als andere EU-Flächenländer.
Das Start-up hat ein Modell entwickelt, das die Klimawirkung von Unternehmen, Gebäuden oder Finanz-Portfolios etwa aus Staatsanleihen in Grad Celsius ausdrückt: So stark würde sich die Erde bis zum Jahr 2100 erwärmen, wirtschaftete die gesamte Welt ebenso emissionsintensiv wie die untersuchte Einheit. Die Analyse gibt an, welche Pfade der Erhitzung erreicht werden, wenn die Staaten weiter machen wie bisher.
Bei der Berechnung der Temperaturpfade berücksichtigt Right nur bereits umgesetzte Klimaschutzmassnahmen. Angekündigte und nicht realisierte Massnahmen fliessen nicht ein, da die Umsetzung schwer prognostizierbar ist. Gesetze wie das geplante Aus für Verbrenner-Autos und andere Vorhaben können den Wert bis 2100 also noch verbessern. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein, Deutschland will das bis 2045 schaffen.
Wert für Deutschland liegt bei bei 4,4 Grad
Kroatien und Zypern schneiden laut der Berechnung unter den EU-Ländern am besten ab. Würde die ganze Welt so wirtschaften wie die beiden Staaten, läge die Erderwärmung bis 2100 demnach bei 3,1 Grad. Für Deutschland liegt der Wert bei 4,4 Grad, etwas besser als Luxemburg (5,3), Tschechien (5,2) und Estland (5,2). Für Frankreich und Italien wurden je 3,7 Grad errechnet und für Spanien 3,5 Grad.
Right berechnet die CO2-Emissionen pro Einwohner eines Staates vom aktuellen Stand bis zum Jahr 2100 und nimmt dabei eine Fortführung des bisherigen Dekarbonisierungstrends an. Das Modell setzt die prognostizierten Emissionen in Relation zu Pfaden, die zeigen, welche Reduktion nötig wäre, um etwa das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Danach wird unter der Annahme, dass die ganze Welt die gleiche Klimawirkung wie der Staat aufweist, die resultierende Erderwärmung errechnet.
Warnung vor dramatischer Klimaerwärmung
Zuletzt hatte der Weltklimarat gewarnt, ohne baldige drastische Minderungen der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen werde das 1,5-Grad-Ziel der Erderwärmung schon in den 2030er Jahren überschritten. Und das UN-Klimasekretariat ging im Oktober davon aus, dass die Erderwärmung auf 2,5 Grad bis 2100 hinauslaufen könnte.
«Der Blick auf die Treibhausgas-Emissionen von Staaten ist oft verzerrend, da daraus nicht direkt ersichtlich wird, inwieweit ein Land auf einem Paris-konformen Reduktionspfad ist», erklärte Right-Gründerin Hannah Helmke. Das Modell mache Klimarisiken transparent und helfe Investoren beim Vergleich von Finanzanlagen.
«Grüne» Investments haben an den Finanzmärkten an Bedeutung gewonnen. Banken legen im grossen Stil nachhaltige Fonds auf, Investoren sehen klimaschädliche Investments kritischer – auch weil im Ernstfall Klagen drohen können wie bei VW im Dieselskandal. Jedoch gibt es oft Vorwürfe, Finanzanlagen würden besser dargestellt als sie sind.
Zu den Kunden des 2016 gegründeten Start-ups Right zählt nach eigenen Angaben rund ein Drittel der 40 Dax-Konzerne. Strategischer Partner des Start-ups ist die Nachhaltigkeitsbank GLS.