Hongkonger erinnern mit Protest-Hymne an Zusammenstösse mit Polizei vor einem Jahr
Mit dem Singen der Protest-Hymne haben in Hongkong am Freitag tausende Menschen an die ersten gewaltsamen Zusammenstösse zwischen der Demokratiebewegung und der Polizei vor einem Jahr erinnert.
Das Wichtigste in Kürze
- Polizei nimmt zahlreiche Menschen fest.
Sie folgten Aufrufen im Internet und versammelten sich um 20.00 Uhr abends (Ortszeit) in Einkaufszentren und Stadtvierteln, um Demokratie-Parolen zu rufen und «Glory to Hong Kong» zu singen - die Hymne der Protestbewegung vom vergangenen Jahr.
Die Polizei erklärte die Versammlungen für unrechtmässig und warf den Teilnehmern die Missachtung des wegen der Corona-Pandemie verhängten Versammlungsverbots vor. Einsatzkommandos der Polizei nahmen zahlreiche Menschen fest.
«Ich bin hergekommen, weil unsere Ziele noch nicht erreicht wurden, deshalb muss ich weiter rauskommen», sagte der 28-jährige Sozialarbeiter So in Causeway Bay, einem beliebten Einkaufsviertel. «Wir müssen der Regierung sagen, dass wir nicht aufgeben werden, egal wie viele von uns übrig sind», fügte er hinzu.
Im vergangenen Jahr hatte es in Hongkong über sieben Monate beispiellose Massenproteste gegeben. Am 9. Juni 2019 waren erstmals eine Million Menschen auf die Strasse gegangen, um gegen ein geplantes Gesetz zu protestieren, das Auslieferungen nach Festland-China ermöglicht hätte. Drei Tage später gab es die ersten Zusammenstösse zwischen Demonstranten und der Polizei.
Die Demonstrationen entwickelten sich zunehmend zu einem Protest gegen den Einfluss Pekings in der Finanzmetropole insgesamt. Immer häufiger kam es zu Ausschreitungen zwischen den Demonstranten und der Polizei. Die Demokratiebewegung warf den Einsatzkräften unverhältnismässige Gewalt vor. Seit Beginn der Massenproteste wurden insgesamt rund 9000 Menschen festgenommen, mehr als 500 wurden wegen «Aufruhrs» angeklagt. Ihnen drohen im Falle einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.
Die harte Strafverfolgung von Demonstranten sowie die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie liessen die Proteste abklingen, doch gab es auch in den vergangenen Monaten immer wieder kleinere Kundgebungen.
Die Zentralregierung in Peking stellt die Proteste als vom Ausland gesteuert dar. Ende Mai gab der chinesische Volkskongress grünes Licht für ein sogenanntes Sicherheitsgesetz, mit dem «Separatismus» und «Aufruhr» in der Sonderverwaltungszone offiziell verboten werden sollen. Kritiker sehen darin eine Untergrabung von Bürgerrechten und Meinungsfreiheit in Hongkong.