Iranische Sittenpolizei wurde offenbar aufgelöst
Die iranische Sittenpolizei war bislang hauptsächlich für die Einhaltung der Kleidungsvorschriften von Frauen zuständig. Jetzt soll es sie nicht mehr geben.
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss dem iranischen Generalstaatsanwalt wurde die Sittenpolizei aufgelöst.
- Regierungskritiker reagierten verhalten auf die Ankündigung.
- Das Problem sei nicht die Sittenpolizei, sondern der Kopftuchzwang.
Nach Angaben des Generalstaatsanwalts wurde die iranische Sittenpolizei aufgelöst. Diese war bislang hauptsächlich für die Einhaltung der Kleidungsvorschriften von Frauen zuständig.
«Die Sittenpolizei wurde aufgelöst, aber die Justizbehörde wird sich weiterhin mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung auseinandersetzen», zitierte die Tageszeitung «Shargh» den Generalstaatsanwalt Mohammed-Dschafar Montaseri am Sonntag. Weitere Details zu den Umständen und der Umsetzung der Auflösung gab es nicht.
Kritiker der politischen Führung reagierten verhalten auf die Ankündigung. Das Problem sei nicht die iranische Sittenpolizei, sondern die Aufhebung des Kopftuchzwangs, schrieb ein iranischer Aktivist auf Twitter. «Frauen müssen überall ohne Kopftuch verkehren können», forderte er. Und dies sei «nur der erste Schritt.»
Beobachtern zufolge würde die Auflösung der Sittenpolizei zwar kein Ende des Kopftuchzwangs für Frauen bedeuten, aber einen wichtigen Teilerfolg der Frauenbewegung im Iran darstellen.
Iranische Sittenpolizei Auslöser der Proteste gegen das Regime
Die Sittenpolizei war der Auslöser der seit über zwei Monaten andauernden systemkritischen Aufstände in dem Land. Mitte September verhafteten die islamischen Sittenwächter die 22-jährige Mahsa Amini. Unter ihrem Kopftuch sollen ein paar Haarsträhnen hervorgetreten sein.
Amini starb wenige Tage später im Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei. Seitdem protestieren im Iran Menschen gegen das islamische System und dessen Gesetze und Vorschriften.
Seit dem Ausbruch der Proteste werden der Kopftuchzwang und die islamischen Kleidervorschriften von vielen Frauen, besonders in Grossstädten, zunehmend ignoriert.
Laut islamischen Gesetzen müssen Frauen in der Öffentlichkeit ein Kopftuch sowie einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verhüllen. Dieses Gesetz ist seit über 40 Jahren Teil der gesellschaftspolitischen Doktrin des islamischen Systems. So soll, wie es heisst, «Land und Volk vor der westlichen Kulturinvasion» gerettet werden.
Seit Beginn der Demonstrationen wurden nach Einschätzung von Menschenrechtlern rund 470 Demonstranten getötet, darunter 64 Kinder und 60 Sicherheitskräfte. Die offiziellen Angaben diesbezüglich sind widersprüchlich. Der Sicherheitsrat spricht von 200, ein Kommandeur der Revolutionsgarden von 300 Toten.
Ausserdem wurden in den vergangenen mehr als zwei Monaten Tausende verhaftet, unter ihnen Studenten, Journalisten, Sportler sowie Künstler. Einige Demonstranten wurden von Revolutionsgerichten auch bereits zum Tode verurteilt. Ab Montag sind landesweit weitere Proteste – und laut Oppositionskreisen auch Streiks – geplant.