Machtkampf in Venezuela spitzt sich zu - Ultimatum von EU-Staaten läuft ab
In Venezuela hat sich am Wochenende der Machtkampf zwischen Gegnern und Anhängern des Staatschefs Nicolás Maduro weiter zugespitzt.
Das Wichtigste in Kürze
- General bricht mit Maduro - Guaidó: Februar «entscheidend» für Machtwechsel.
Beide Lager mobilisierten zehntausende Menschen in Caracas und anderen Städten. Das Ultimatum mehrerer EU-Staaten an Maduro, eine neuerliche Präsidentschaftswahl anzusetzen, sollte unterdessen um Mitternacht ablaufen. Andernfalls wollen die europäischen Länder wie zuvor schon die USA und andere Staaten Juan Guaidó als Übergangspräsidenten anerkennen.
Die Aufmärsche in der Hauptstadt am Samstag fanden zeitgleich in etwa zehn Kilometer Entfernung voneinander statt. Der selbsternannte Übergangspräsident Guaidó hatte die Grossdemonstration so angesetzt, dass sie mit einer Massenkundgebung der Maduro-Unterstützer zusammenfiel. Diese begingen am Samstag den 20. Jahrestag der «Revolution» unter Maduros sozialistischem Vorgänger Hugo Chávez, der von Februar 1999 bis zu seinem Tod 2013 Staatschef war.
Der Linksnationalist Maduro kündigte vor seinen Anhängern eine vorgezogene Neuwahl des Parlaments noch in diesem Jahr an. Die Forderung der EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Spanien, Niederlande und Portugal erfüllte er damit aber ebenso wenig wie die der Opposition. Diese bestehen darauf, dass so bald wie möglich ein neuer Staatschef gewählt wird. Das Parlament wird von der Opposition dominiert, Parlamentspräsident ist Guaidó.
Das erste Treffen der von der EU gebildeten internationalen Kontaktgruppe zur Wahl eines neuen Präsidenten findet am Donnerstag auf Ministerebene in Montevideo statt. Das gaben die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini und der uruguayische Präsident Tabaré Vázquez am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung bekannt.
Die französische Europaministerin Nathalie Loiseau sagte, sollte Maduro keine Anstalten zur Organisation einer Präsidentschaftswahl machen, werde Paris Guaidó als Interimsstaatschef anerkennen. Es sei dann an ihm, die Wahl anzusetzen. Die von Maduro angekündigte Parlamentswahl nannte die Ministerin eine «Farce».
Guaidó sagte am Samstag in seiner Rede vor dem EU-Sitz in Caracas, der Februar werde im Machtkampf «entscheidend» sein. Es werde weitere Grosskundgebungen geben, etwa am 12. Februar, der in Venezuela als Tag der Jugend gefeiert wird.
Auftrieb bekam die Opposition durch das Überlaufen eines ranghohen Militärvertreters. Der Luftwaffengeneral Francisco Yánez prangerte in einem in den Online-Netzwerken veröffentlichten Video Maduros «diktatorische» Amtsführung an und erklärte, dass er Guaidó als Übergangspräsidenten anerkenne.
John Bolton, der Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, reagierte darauf im Kurzbotschaftendienst Twitter mit der Bemerkung, «alle Mitglieder des Militärs» sollten Yánez' Beispiel folgen. In einem später veröffentlichten Video erklärte auch der ehemalige Generalkommandeur der Luftwaffe, Jorge Oropeza, seine Unterstützung für Guaidó.
Die Armee in ihrer Gesamtheit steht aber weiter zum Staatschef. Dieser kündigte in seiner Rede eine Aufstockung der Armee durch zehntausende zivile Milizionäre an.
Guaidó wiederum kündigte baldige humanitäre Hilfslieferungen aus dem ultrarechts regierten Brasilien und dem rechts regierten Kolumbien an. Für die Hilfsgüter würden in den kommenden Tagen grenznahe Sammelstellen in den beiden Nachbarstaaten und «auf einer Karibikinsel» eingerichtet. Er appellierte an das Militär, die Hilfslieferungen ins Land zu lassen.
Maduro lehnt die Lieferungen ab; er sieht diese als «trojanisches Pferd» für eine Militärintervention aus dem Ausland an. Seine Gegner schmähte er als «Bettler des Imperialismus». Sie würden «ihre Heimat für 20 Millionen Dollar verkaufen», fügte er in Anspielung an die von Guaidó genannte Summe für die humanitäre Hilfe aus den USA hinzu.
Trotz enormen Ölreichtums hat Venezuela einen jahrelangen wirtschaftlichen Niedergang hinter sich. In dem Land herrscht Hyperinflation. Selbst Artikel des täglichen Grundbedarfs sind kaum mehr zu kaufen. Seit 2015 haben rund 2,3 Millionen Venezolaner ihr Land verlassen.