Malis Regierung verlangt Abzug von UN-Friedensmission Minusma
Mali hat vor dem UN-Sicherheitsrat den Abzug der über 10'000 im afrikanischen Land stationierten UN-Blauhelme verlangt.
Das Wichtigste in Kürze
- Laut Malis Aussenminister sind die UN-Blauhelme «Teil des Problems» geworden.
- Die Regierung des Landes fordert den unverzüglichen Abzug der Friedensmission.
Der malische Aussenminister Abdoulaye Diop hat vor dem UN-Sicherheitsrat in New York den Abzug der Friedensmission Minusma verlangt. Die Operation mit über 10'000 Blauhelmen, der auch Hunderte Bundeswehr-Soldaten angehören, sei in den vergangenen zehn Jahren nicht in der Lage gewesen, auf die angespannte Sicherheitslage in dem Land adäquat zu reagieren, sondern sei «Teil des Problems» geworden, sagte Diop am Freitag. «Vor diesem Hintergrund fordert die malische Regierung den unverzüglichen Rückzug von Minusma. Die Regierung ist jedoch bereit, diesbezüglich mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten.»
Die Militärregierung des Landes unter Oberst Assimi Goïta, die sich 2020 und erneut 2021 an die Macht geputscht hatte, setzt auf enge Zusammenarbeit mit Russland. Während die Junta nur von militärischen Ausbildern spricht, sind Schätzungen zufolge bis zu 2000 Söldner der russischen Wagner-Gruppe im Land aktiv. Die malische Regierung erhofft sich dadurch ein robusteres Vorgehen gegen die den Terrormilizen IS oder Al-Kaida nahestehenden islamistischen Rebellen, die sich seit über einem Jahrzehnt in Mali ausbreiten.
Unter anderem hatten die Franzosen ihre Beteiligung an Minusma deswegen beendet. Deutschland will seine Soldatinnen und Soldaten eigentlich zum 31. Mai 2024 abzuziehen. Die Bundeswehr ist seit zehn Jahren an der Blauhelm-Mission zur Stabilisierung des Landes beteiligt, war zuletzt jedoch immer wieder von der Regierung behindert worden. So verweigerte diese etwa Fluggenehmigungen für die von den Deutschen im UN-Auftrag betriebene Aufklärungsdrohne Heron.
Auf Einverständnis des betroffenen Landes angewiesen
Die Vereinten Nationen sind für den Betrieb einer Friedensmission auf das Einverständnis des betroffenen Landes angewiesen. Es war zunächst unklar, ob die Aussagen Diops vor dem Sicherheitsrat als offizielle Position zählen oder ob es zudem beispielsweise ein Schreiben der Regierung braucht. Das Mandat der Minusma hätte vom UN-Sicherheitsrat bis zum 30. Juni um ein weiteres Jahr verlängert werden müssen. Sollte Mali den Abzug fordern, kann das Mandat nicht verlängert werden. Auch die Bundeswehr müsste wohl früher als geplant abziehen.
«Die Beziehungen zwischen Mali und Minusma haben sich seit der Ankunft der Russen verschlechtert. Mali will nicht, dass die Minusma Menschenrechtsverletzungen der Armee und der Russen untersucht. Der Bericht zum Massaker in Moura hat das Tischtuch endgültig zerrissen», sagte der Sahel-Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ulf Laessing. Die UN hatten im Mai einen Bericht über schwere Menschenrechtsverstösse bei einem Einsatz der malischen Armee und ausländischer Truppen gegen Islamisten im März 2022 vorgelegt. Dabei war von mehr als 500 Toten, Hinrichtungen und Vergewaltigungen in dem Dorf Moura in der zentralmalischen Region Mopti die Rede.
Malis Aussenminister wies «die voreiligen Schlussfolgerungen des voreingenommenen Berichts» am Freitag erneut zurück. «Wir sehen in diesem Bericht eine echte Entschlossenheit einiger Staaten, unsere gemeinsame Organisation zu instrumentalisieren, um Mali für seine souveränen Entscheidungen zu schaden oder gar zu bestrafen», sagte Diop. Die Junta hatte sich bereits im Mai scharf gewehrt und erklärt, Zivilisten aus Moura seien dabei nicht ums Leben gekommen.
Sicherheitslage nicht verbessert
Dem Bericht zufolge hatte am 27. März 2022 ein Militärhelikopter das Dorf überflogen und das Feuer eröffnet, während weitere Hubschrauber mit Soldaten landeten. Einige islamistische Kämpfer hätten aus der Menge heraus geschossen. In den folgenden vier Tagen wurden dem Bericht zufolge mindestens 500 Menschen hingerichtet. Dem UN-Team lägen die Namen von fast 240 Opfern vor. Mindestens 58 Frauen und Mädchen seien vergewaltigt worden. Zeugen schilderten dem Bericht zufolge, dass auch «bewaffnete weisse Männer» vor Ort gewesen seien.
Die Sicherheitslage vor allem im Zentrum des Landes hat sich seit dem Kurswechsel der Regierung nicht verbessert. Experten beobachten im Gegenteil, dass härteres Vorgehen den islamistischen Rebellen mehr Zulauf verschafft. Im Rahmen der UN-Stabilisierungsmission sind in Mali früheren Angaben zufolge noch rund 12'000 Soldaten eingesetzt. Die Deutschen sind hauptsächlich nahe der Stadt Gao im Nordosten des Landes im Einsatz, wo sich auch mehrere Flüchtlingscamps mit Zehntausenden Menschen befinden. Mali gilt als gefährlichste Friedensmission der UN, immer wieder sterben Blauhelme.
KAS-Experte Laessing sagte: «Der Abzug würde die Sicherheitslage nochmal verschlechtern. Die Minusma baut auch Schulen, rüstet Polizeistationen aus — sie ersetzt den Staat, der in der Fläche nicht präsent ist. Tausende würden über Nacht arbeitslos, die sich mangels Alternativen Banditen oder Dschihadisten anschliessen würden.» Minusma sorge in Städten für Sicherheit, wo etwa Binnenflüchtlinge hinziehen um den Terrormilizen zu entkommen. «Die würden dann weiter nach Niger und auf die Libyen-Route fliehen.»