US-Demokraten finden keine Antwort auf Trumps Aktivismus
Während US-Präsident Donald Trump die USA und die halbe Welt in Aufruhr versetzt, sind die Demokraten erstaunlich zahnlos. Das hat Gründe.
Das Wichtigste in Kürze
- Den Staat umbauen, Rechte streichen, Staaten verärgern: Donald Trump geht aufs Ganze.
- Die Demokraten kritisieren zwar, machen aber einen orientierungs- und hilflosen Eindruck.
- Teilweise sei dies selbstverschuldet, teilweise liege dies am System, erklären Experten.
Innert weniger Tage hat US-Präsident Donald Trump die USA und die Welt auf den Kopf gestellt. Mit Dekreten versucht er, die Bürgerrechte einzuschränken. Sämtliche Kapitol-Stürmer werden begnadigt – auch diejenigen, die Polizisten angegriffen haben.
Ganze Bundesstellen, ganze Departemente, werden vorübergehend geschlossen oder gleich ganz gestrichen. Tausenden Bundesangestellten wird die Kündigung nahegelegt oder sie werden juristisch verfolgt. Bis hin zu FBI-Agenten, die lediglich Anweisungen befolgt haben.
«Amerikas Demokratie steht im Begriff, binnen kürzester Zeit zur Unkenntlichkeit verstümmelt zu werden», kommentiert die «Süddeutsche Zeitung». Kurz: Trump macht mehr oder weniger das, was das «Project 2025», der Masterplan zur Übernahme der Macht, vorgibt.
Das «Project 2025», von dem er im Wahlkampf keine Ahnung gehabt haben will. Vieles ist an der Grenze zum gesetzlich erlaubten oder verletzt die Verfassung gar explizit.
Demokraten reagieren «äusserst schwach»
Und was machen die US-Demokraten? Sie demonstrieren vor Regierungsgebäuden (in die man sie, im Gegensatz zu Elon Musks Informatikern, plötzlich nicht mehr reinlässt) und rufen: «He! Das darf man aber imfall nicht!»
Versinnbildlicht wird die Hilflosigkeit der Demokraten durch den Fraktionsvorsitzenden im Senat, Chuck Schumer. Dieser tut, was er seit Jahrzehnten immer tut: «Scharfe Worte» an den politischen Gegner richten und dabei tadelnd über den Brillenrand gucken.
«Die Antwort der Demokraten auf die ‹disruptive› Flut von Massnahmen ist in der Tat äusserst schwach», sagt Thomas Greven. Der Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin hat aber auch eine Erklärung für die zurückhaltende Reaktion.
Strategie der Demokraten
Die Demokraten hätten eine strategische Entscheidung getroffen, nicht «über jedes Stöckchen zu springen», das Trump hinhalte.
Stattdessen konzentriere man sich auf die bereits 2026 anstehenden Zwischenwahlen. Dabei steht ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus zur Wahl.
Die Hoffnung auf reuige Wählerinnen und Wähler, die negative Folgen der Trump-Politik am eigenen Leib erfahren: Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse «keine schlechte Strategie», sagt Politologe Greven.
«Nur hat man übersehen, dass wohl auch Trump ahnt, dass er vielleicht nur zwei Jahre ‹durchregieren› kann. Und entsprechend die Zahl und die Grösse der ‹Stöckchen› anpasst.»
Auch für Sarah Wagner, Politologin und USA-Expertin an der Atlantischen Akademie Rheinland Pfalz, ist klar: «Die nächsten zwei Jahre bis zu den Zwischenwahlen werden entscheidend sein.»
Dass die Demokraten bislang kaum Gegenwehr zeigen, erklärt sie mit zwei Faktoren: fehlender Einigkeit und Weitsicht und dem politischen System.
«Project 2025» nicht ernst genommen
Die US-Demokraten hätten ihre Oppositionsrolle noch nicht gefunden. «Wie sehr soll man in die Fundamentalopposition gehen aufgrund der aktuellen Entwicklungen um Elon Musk? Oder wo soll man im Senat vielleicht doch kooperieren?» Zudem sei man nach wie vor mit dem Ausgang der Wahlen 2024 beschäftigt und verunsichert.
Gleichzeitig werde die Partei auch von den Entwicklungen überrollt: «Man war nicht gut genug vorbereitet auf diese Flut von Anordnungen, Vorschlägen und auch rechtswidrigen Vorgehensweisen. Hier hat man zwar im Wahlkampf vor dem ‹Project 2025› gewarnt, aber es anscheinend selbst nicht wirklich ernst genommen.»
Wenig Spielraum als Minderheits-Partei
Zweitens schränkt das politische System die Partei in der Minderheit enorm ein. Die Demokraten könnten lediglich bestimmte Prozesse verlangsamen, erklärt Wagner: «Sie können medial Aufmerksamkeit erringen und versuchen, die politischen Kosten für Trump in die Höhe zu treiben.»
Gerade im Senat gebe es dazu Möglichkeiten, den Ablauf stark zu verlangsamen. Oder bei den im März anstehenden Budgetverhandlungen, wo Trumps Republikaner auf die Zusammenarbeit mit den Demokraten angewiesen sind.
Dort sieht auch Thomas Greven einen Hebel für die Demokraten: Bündnispartner könnten dann ausgerechnet die «deficit hawks» sein, die eher konservativeren Spar-«Falken» in der republikanischen Fraktion.
«Resistance» aus Bundesstaaten und Zivilgesellschaft
Seines Erachtens werde mittelfristig Widerstand vor allem juristisch erfolgen, gegebenenfalls aus von Demokraten regierten Bundesstaaten, vermutet Greven.
Dort sieht auch Sarah Wagner viel Aktivität, mit dem Einreichen von Klagen durch demokratische Gouverneure: «Hier hat man sich schon länger ernsthaft auf eine zweite Amtszeit von Donald Trump vorbereitet.»
Motivation für die Demokraten könnte aber auch von aussen kommen, jenseits der politischen Institutionen, betont Thomas Greven: «Ob die Demokraten in der Lage sind, auf organisierte ‹Resistance› umzuschalten, hängt nicht allein von ihnen ab.»
Sondern auch davon, ob der Druck in der Zivilgesellschaft wachse, sagt auch Expertin Sarah Wagner. «Hier herrscht an der Wählerbasis Unzufriedenheit mit der Partei.»
Nur, gibt Greven zu bedenken: «Die Zivilgesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten das langfristige ‹Organizing› gewissermassen verlernt und setzt auf kurzfristige ‹Mobilisierung›. Insbesondere die jüngeren Generationen scheuen das langfristige Engagement in grossen Mitgliederorganisationen.»
Bis es dann zu spät ist und die «grossen Stöckchen» von Donald Trump zu bereits eingeschlagenen Pflöcken werden.