Von der Leyens Schicksal als Juncker-Nachfolgerin entscheidet sich am Dienstag
Für Ursula von der Leyen entscheidet sich am Dienstagabend, ob sie EU-Kommissionspräsidentin wird oder nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Barley schliesst einige Stimmen der Europa-SPD nicht aus.
Das Europaparlament legte am Donnerstag diesen Termin für die Abstimmung über die nominierte Nachfolgerin von Amtsinhaber Jean-Claude Juncker fest. Nach den Grünen erklärten auch die Linken, sie wollten nicht für die CDU-Politikerin stimmen. SPD-Europaabgeordnete räumten am Donnerstag ein, sie hätten für Fraktionskollegen ein Papier mit «kritischer Berichterstattung» über von der Leyen zusammengestellt.
Die frühere Bundesjustizministerin Katarina Barley schloss derweil aber nicht aus, dass doch SPD-Europaabgeordnete von der Leyen unterstützen könnten. Von der Leyen war von den Staats- und Regierungschefs als Nachfolgerin von EU-Kommissionspräsident Juncker vorgeschlagen worden. Um im Europaparlament gewählt zu werden, ist die absolute Mehrheit der aktuell 746 Mitglieder der EU-Volksvertretung nötig, also 374 Stimmen.
Eine Mehrheit für von der Leyen ist nicht sicher. Scheitert die 60-Jährige bei der Abstimmung, ist sie aus dem Rennen. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssten dann nach EU-Vertrag «innerhalb eines Monats (...) einen neuen Kandidaten» vorschlagen.
Bei stundenlangen Anhörungen in den Parlamentsfraktionen hatte von der Leyen diese Woche versucht, Vorbehalte auszuräumen. Als letztes war sie am Donnerstagvormittag bei den Linken. Doch diese wandten sich erwartungsgemäss gegen die Kandidatin. Die Antworten der CDU-Politikerin auf Fragen seien «unzureichend» gewesen, erklärte der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan.
Von der Leyen benötigt neben ihrer konservativen EVP mit 182 Abgeordneten rechnerisch zwei bis drei weitere Fraktionen, um gewählt zu werden. Am Mittwoch hatten schon die Grünen erklärt, sie wollten gegen die 60-Jährige stimmen. Liberale und die europakritische EKR-Fraktion äusserten sich verhalten positiv, haben aber ebenso wie die Sozialdemokraten als zweitstärkste Fraktion noch keine Wahlempfehlung abgegeben.
Dort sind insbesondere SPD-Europaabgeordnete gegen von der Leyen, weil sie keine Spitzenkandidatin der Parteien bei der Europawahl war. Die frühere Justizministerin Barley sagte dem MDR jedoch, es gebe unter ihren Kollegen auch SPD-Vertreter, «wo ich den Eindruck habe, dass sie ihr vielleicht noch eine Chance geben wollen».
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte am Donnerstag in Berlin einen fairen Umgang mit von der Leyen. «Manches, was da gestern in Brüssel auch stattgefunden hat, würde ich jetzt nicht in diese Kategorie hineinstecken.»
Der Chef der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, Jens Geier, räumte am Donnerstag in Brüssel ein, ein Dokument mit «kritischer Berichterstattung» über von der Leyen für Fraktionskollegen aus anderen Ländern zusammengestellt zu haben.
Dies sei auf deren Bitte nach «Hintergrundinformationen» über die deutsche Politikern geschehen, betonte Geier. Es habe sich nicht um einen «Versuch der öffentlichen persönlichen Beschädigung» gehandelt. «Das war nicht beabsichtigt». Die Informationen stammten von öffentlich frei verfügbaren Nachrichtenseiten.
Einer der drei kommissarischen SPD-Bundesvorsitzenden, Thorsten Schäfer-Gümbel, betonte in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Freitagsausgabe), dass die Parteiführung in Deutschland nicht über die Zusammenstellung des Papiers informiert worden sei.
Die SPD-Abgeordneten stellen nur 16 von 153 Abgeordneten in der sozialdemokratischen Fraktion. Fraktionsmitglieder gingen davon aus, dass zumindest die Hälfte der Parteiengruppe für von der Leyen stimmen werde. Die Sozialdemokraten wollten am Donnerstag einen Brief mit Forderungen an von der Leyen schicken. Barley regte auch eine weitere Gesprächsrunde mit der Kandidatin an.
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold forderte «einen Plan B», wenn von der Leyen am Dienstag scheitern sollte. Die Fraktionen sollten dann versuchen, «eine Mehrheit für eine andere Person auf einer inhaltlichen Basis zu bilden», erklärte er. «Das wäre gelebte europäische Demokratie.» Giegold nannte es dabei unverständlich, dass der EU-Gipfel die Liberale Margrethe Vestager «nicht in Erwägung gezogen hat».