Organisatoren: 1,7 Millionen Menschen beteiligen sich an Protesten in Hongkong
Das Wichtigste in Kürze
- Grösste Demonstration seit Wochen - Kundgebung bleibt friedlich.
An der Demonstration beteiligten sich am Sonntag 1,7 Millionen Menschen, wie die Organisation Civil Human Rights Front (CHRF) mitteilte. Demnach handelte es sich um die grösste Demonstration seit mehreren Wochen. Die Grosskundgebung sollte die Proteste in Hongkong nach der jüngsten Gewalteskalation wieder in «friedliche» Bahnen lenken.
Ausgestattet mit Schirmen trotzten die Demokratie-Aktivisten bei der zentralen Kundgebung im Victoria Park nicht nur dem Regen: Trotz eines Verbots der Polizei zogen viele anschliessend weiter in Richtung des westlich gelegenen Admiralty-Viertels.
«Es war ein langer Tag und wir sind müde, aber so viele Menschen im Regen für Hongkong marschieren zu sehen, gibt allen Kraft», sagte der 28-jährige Demonstrant Danny Tam.
Die Protestgruppe CHRF hatte die Kundgebung als Rückkehr zu den «friedlichen» Anfängen der Proteste angekündigt. Die Organisation meidet Konfrontationen mit der Polizei und war die treibende Kraft hinter den Rekord-Kundgebungen im Juni und Juli mit mehreren hunderttausend Teilnehmern.
Die Aktivisten wollten mit der neuerlichen Grossdemonstration am Sonntag deutlich machen, dass ihre Bewegung trotz zunehmender Gewalt und schärfer werdender Drohungen Pekings immer noch breite Unterstützung findet.
Die seit zehn Wochen andauernden Demonstrationen haben die chinesische Sonderverwaltungszone in eine schwere Krise gestürzt. Die Proteste haben sich zu einer Massenbewegung für Demokratie entwickelt. Immer häufiger gab es zuletzt Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten. Die Beamten gingen mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Menschen vor, die Demonstranten antworteten mit Steinen und Molotowcocktails.
«Die Polizei tut völlig inakzeptable Dinge», sagte der Demonstrant Yim. «Sie verletzen die Bürger, sie schützen uns nicht.» Die Organisatoren hatten angekündigt, die Kundgebung werde «gewaltfrei» und «vernünftig» ablaufen. Dennoch trugen viele Teilnehmer in ihren Rucksäcken Laserpointer, Gasmasken, Schutzbrillen und Helme bei sich. «Wir haben unsere Ausrüstung dabei, aber wir hoffen, dass wir sie nicht benutzen müssen», sagte ein 30-jähriger Aktivist. Am späten Sonntagabend versammelten sich hunderte maskierte Demonstranten vor dem Regierungssitz.
Die Regierung lobte den «toleranten» Umgang der Polizei mit den «illegalen Taten» der Protestierenden. Sie appellierte an die Demonstranten, «ihre Ansichten auf friedliche und vernünftige Weise zum Ausdruck zu bringen».
Kleinere Protestmärsche in der Finanzmetropole am Samstag waren ohne grössere Zwischenfälle zu Ende gegangen. Am Wochenende gingen auch in anderen Ländern Menschen auf die Strasse, um Hongkongs Demokratie-Bewegung zu unterstützen. In Paris demonstrierten jeweils rund 50 Kritiker und Anhänger der Hongkonger Regierung. In London und in den kanadischen Städten Toronto, Calgary und Vancouver beteiligten sich tausende Menschen an den Protesten.
Die EU rief zu einem «breiten und integrativen Dialog» auf, um die «Lage in Hongkong zu entschärfen» und forderte einen Gewaltverzicht aller Beteiligten.
Der Demokratie-Aktivist Joshua Wong forderte Deutschland auf, die Demokratiebewegung zu unterstützen. Die Bundesregierung sollte diejenigen, «die Menschen in Hongkong unterdrücken wollen», die Einreise verweigern und deren Vermögen einfrieren, sagte er der «Welt am Sonntag».
Trotz der anhaltenden Proteste ist die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam bisher auf keine der Forderungen der Bewegung eingegangen. Lediglich das umstrittene Auslieferungsgesetz, das auch Überstellungen von Verdächtigen an Festland-China vorsah und Auslöser der Krise war, wurde auf Eis gelegt.
Die Aktivisten verlangen unter anderem eine Untersuchung der Polizeigewalt, die vollständige Rücknahme des Gesetzes und einen Straferlass für angeklagte Demonstranten.
Die chinesische Regierung drohte den Demonstranten zuletzt immer unverhohlener. So brachte sie die Demonstranten mit «Terrorismus» in Verbindung und schickte Truppen an die Grenze. Inzwischen wächst die Angst vor einem chinesischen Militäreinsatz.