Berner ESC? SVP: Euphorie und übereilter Enthusiasmus reichen nicht
Könnte der ESC 2025 in Bern stattfinden? Bevor dies infrage komme, brauche es eine fundierte Analyse, sagt Mathias Müller (SVP) im Interview.
Das Wichtigste in Kürze
- Noch ist unklar, ob sich der Kanton Bern um eine Durchführung des ESC bemüht.
- Dem Grossen Rat liegen diesbezüglich verschiedene Vorstösse vor.
- Im Interview äussert sich Mathias Müller (SVP) zum Thema.
Seit Nemos Sieg am Eurovision Song Contest (ESC) wird viel über den Austragungsort spekuliert. Verschiedene Kantone und Städte haben bereits ihr Interesse bekundet. Soll sich auch der Kanton Bern für die Austragung bewerben? Da gehen die Meinungen auseinander.
Nau.ch hat bei den verschiedenen Parteien nachgefragt. Den Start macht Mathias Müller (SVP). Im Interview fordert der Politiker, zuerst die Machbarkeit zu prüfen, bevor man sich für eine Durchführung bewerbe.
Nau.ch: Soll sich der Kanton Bern Ihrer Meinung nach um eine Bewerbung für die Austragung des Eurovision Song Contests 2025 bemühen?
Mathias Müller: Bevor sich Bern für die Durchführung des Eurovision Song Contests bewirbt, muss zuerst die Machbarkeit geprüft werden. Euphorie und übereilter Enthusiasmus allein reichen nicht, denn die unzähligen Auflagen der Organisatoren sind sehr streng und es ist fraglich, ob Bern diese erfüllen kann.
Nau.ch: Welche Vorteile ergäben sich durch eine Austragung des Contests für den Kanton?
Müller: Eine Austragung des Eurovision Song Contests bringt Bern keinen signifikanten Nutzen. Grossveranstaltungen hinterlassen oft nur kurzfristige Eindrücke und sind keine Garantie für langfristigen touristischen oder wirtschaftlichen Gewinn.
«Es droht nicht nur ein Minusgeschäft für Bern, sondern auch ein Reputationsschaden.»
Nau.ch: Bei einem positiven Entscheid für Bern würden Kosten in Millionenhöhe entstehen. In welcher Relation stehen diese Kosten zu den erwarteten Vorteilen?
Müller: Die hohen Kosten für den Eurovision Song Contest stehen in keiner vernünftigen Relation zu den erwarteten Vorteilen. Es droht nicht nur ein Minusgeschäft für Bern, sondern auch ein Reputationsschaden, wenn es zu ähnlichen Szenen wie in Malmö kommen würde, mit antisemitischen gewalttätigen Demonstrationen. Und diese wären in Bern durchaus zu erwarten.
Nau.ch: Philippe Müller, der aktuelle Regierungspräsident, bezeichnete den Eurovision Song Contest auf X als «durch & durch korrupt» sowie «antisemitisch geprägt». Die Veranstaltung müsse daher von Bern fernbleiben. Teilen Sie diese Einschätzung?
Müller: Der ESC ist definitiv nicht jedermanns Sache. Persönlich empfinde ich die Veranstaltung seit jeher als eher bieder und kleinbürgerlich. Es ist meines Erachtens auch etwas albern im Bereich Musik Wettkämpfe zu organisieren, schliesslich ist Kunst Geschmacksache.
Ob der ESC korrupt ist, weiss ich nicht, auch ob die Organisation antisemitisch ist, kann ich nicht beurteilen. Der offene Antisemitismus, der während dem Anlass gezeigt wurde, ist aber abstossend. Der aufkeimende Antisemitismus ist generell ein Problem, das in unserer Gesellschaft, nicht nur bei solchen Events, angegangen werden muss.
«Die speziellen Auflagen des ESC könnten selbst Bern fordern.»
Nau.ch: Der zu erwartende Personenansturm würde den Kanton vor grosse Herausforderungen stellen. Ist Bern in der Lage, diese zu meistern?
Müller: Bern ist erfahren in der Durchführung grosser Events. Doch die speziellen Auflagen des ESC könnten selbst Bern fordern. Eine solche Veranstaltung passt möglicherweise nicht zu den Kapazitäten der Stadt.
Malmö hat verkündet, dass sie die Veranstaltung nicht mehr durchführen würden – zu gross war der Aufwand und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens.
«Für Biel allein ist es definitiv mehr als eine Schuhnummer zu gross.»
Nau.ch: Nemo hat nach dem Sieg am Eurovision Song Contest den Wunsch geäussert, dass der Event nächstes Jahr in Nemos Heimatstadt Biel stattfinden soll. Wäre, um diesem Wunsch nachzukommen, eine Zusammenarbeit zwischen den Städten Bern und Biel möglich?
Müller: Nemos Wunsch, den Eurovision Song Contest in seiner Heimatstadt Biel auszutragen, ist sicherlich emotional nachvollziehbar, jedoch stösst dieser Wunsch auf erhebliche praktische Schwierigkeiten. Besonders relevant ist, dass Biel stark auf Ökologie und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, was sich schlecht mit einem Event der Grösse und des kommerziellen Charakters eines Eurovision Song Contests vereinbaren lässt.
Ein solcher Anlass würde einen enormen CO2-Fussabdruck hinterlassen, was im direkten Widerspruch zu den Ideen einer Stadt steht, die von einer rot-grünen Mehrheit dominiert wird, und jede Chance nutzt, den motorisierten Verkehr in der Stadt Biel zu behindern. Und mit Lastenvelos werden die Veranstalter wohl nicht anreisen. Auch verfügt die Stadt Biel längst nicht über genügend Hotelbetten.
Eine Zusammenarbeit mit Bern und anderen Ortschaften wäre zwingend notwendig. Für Biel allein ist es definitiv mehr als eine Schuhnummer zu gross.
Nau.ch: Bis wann erwarten Sie einen Entscheid für oder gegen die Bewerbung für die Austragung des Eurovision Song Contests?
Müller: Ich erwarte eine fundierte Analyse, die Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und die Auswirkungen auf die Bevölkerung gründlich bewertet. Wann dieser Entscheid gefällt wird, ist mir egal.
Zur Person: Mathias Müller (54) ist Berner Grossrat und Vizefraktionspräsident der SVP. Er ist Berufsoffizier sowie Psychologe und wohnt in Orvin.