Luzern: SVP-Schumacher über politische Bildung als Schulfach
Urs Christian Schumacher (SVP) erklärt im Interview, wieso er die Schaffung des Schulfachs «Politische Bildung» ablehnt.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Petition will das Schulfach «Politische Bildung» im Kanton Luzern einführen.
- Die Vorstossenden erhoffen sich so eine höhere politische Partizipation von Jugendlichen.
- Urs Christian Schumacher (SVP) ist gegen die Erstellung eines neuen Fachs.
Der Luzerner Kantonsrat wird in einer Petition dazu aufgefordert, das Fach «Politische Bildung» einzuführen. Ziel des Vorschlags ist es, den Jugendlichen Wissen über Politik zu vermitteln und das Interesse am politischen Geschehen zu steigern.
Zum Vorschlag haben sich bisher Irina Studhalter (Grüne), Roger Erni (FDP), Urban Sager (SP) und Angelina Spörri (GLP) geäussert. Alle waren sich einig, dass ein neues Schulfach kaum realisierbar sei. Ähnlich klingt es von Urs Christian Schumacher (SVP), der Politiker äussert sich als Letzter in der Interviewreihe zum Thema.
Nau.ch: Befürworten Sie die Einführung eines neuen Schulfachs «Politische Bildung» ab Sekundarstufe I im Kanton Luzern?
Urs Christian Schumacher: Politische Bildung ist kein eigentliches Fach, sondern eine Betrachtungsweise und ein Aspekt bei vielen Themen und in vielen Bereichen. Letztlich geht es um Veränderungen und deren Auswirkungen auf jeden Einzelnen und die Gesellschaft.
Wir haben in der Bildungskommission mit Vertretern der Petition diskutiert, was ausser dem Staatskundeunterricht mit politischer Bildung gemeint sein soll, und sind zum Schluss gekommen, dass zu jedem schulischen Fachgebiet eine politische Dimension besteht, sobald die gesellschaftlichen Auswirkungen, mögliche Regulationen, persönliche Wertehaltungen, ein Gesellschafts- und oder Menschenbild miteinbezogen werden. Daher scheint mir die Schaffung eines neuen isolierten Faches «Politische Bildung» nicht sinnvoll.
Nau.ch: Erwarten Sie dadurch eine höhere politische Beteiligung von jungen Menschen, beispielsweise bei Abstimmungen und Wahlen?
Schumacher: Nein, da ja die Schüler während der obligatorischen Schulzeit noch nicht stimm- und wahlberechtigt sind. Es ist auch unwahrscheinlich, dass dieses Fach zwei bis drei Jahre später ihr politisches Interesse noch nachhaltig beeinflusst.
«Lehrer haben Vorbildfunktion und können meinungsbildend und meinungsprägend sein»
Nau.ch: Die Lehrpersonen, die den Unterricht gestalten, haben auch eine eigene politische Meinung. Wie kann sichergestellt werden, dass sich die Schülerinnen und Schüler eine unabhängige Meinung bilden können?
Schumacher: Sie sprechen einen heiklen Punkt an. Jugendliche sind bekanntlich noch leicht beeinflussbar und begeisterungsfähig. Die Lehrer haben für sie Vorbildfunktion und können daher meinungsbildend und meinungsprägend sein. Auch aus diesem Grund ist ein eigenes Fach «Politische Bildung» nicht sinnvoll, da die Grenzen zur politischen Meinungsbildung fliessend sind.
Nau.ch: Wären durch eine solche Änderung andere Schulfächer betroffen oder würden wegfallen, um eine höhere «Stundenlast» zu vermeiden?
Schumacher: So wie es die Petition verlangt, ginge das gewünschte Fach «Politische Bildung» zulasten der anderen Unterrichtsfächer. Auch aus diesem Grund lehne ich ein Zusatzfach ab, da die schulischen Grundlagenfächer dann reduziert würden.
«Mut, selber zu denken, selber zu recherchieren und auch Dinge zu hinterfragen, das ist es, was eine freie demokratische Gesellschaft braucht»
Nau.ch: Welche alternativen Massnahmen schlagen Sie vor, um mehr junge Menschen für die Politik zu begeistern?
Schumacher: Zweifellos ist es wichtig, dass unsere Jugendlichen auf ihre Aufgabe als Bürgerinnen und Bürger in einer direkten Demokratie vorbereitet werden. Voraussetzung für diese Aufgabe ist eine Pädagogik, die eine eigenverantwortliche, selbstständige und freie Persönlichkeitsentwicklung anstrebt.
Mut, selber zu denken, selber zu recherchieren und auch Dinge zu hinterfragen, das ist es, was eine freie demokratische Gesellschaft braucht. Und dazu benötigen wir eine vielfältige, kritische und freilassende Medienlandschaft ohne Zensur, Monopol und Deutungshoheit und eine Pädagogik, die den Diskurs fördert.
Zur Persönlichkeitsbildung kann das Einstudieren eines Schülertheaters, in dem die Jugendlichen in ihrer Rolle eine gesellschaftliche Position vertreten und aussprechen können und bei dem sie Auftrittskompetenz erwerben, viel mehr beitragen als ein zusätzliches Fach. Eine Klasse, die den «Wilhelm Tell» von Schiller einstudiert, erwirbt sich ein lebhafteres Verständnis für Demokratie, als es mit politischer Bildung zu erreichen wäre.
Zur Person: Urs Christian Schumacher (*1962) ist seit 2023 Luzerner Kantonsrat für die SVP und Mitglied der Kommission Erziehung, Bildung und Kultur. Er arbeitet als Kinderarzt in eigener Praxis und wohnt in Ebikon.