SVP denkt wegen Stadt-Land-Graben über ein «Gemeindemehr» nach
SVP und Junge SVP denken laut über ein «Gemeindemehr» analog dem Ständemehr nach. Bei der Abstimmungen zeige sich immer wieder ein Stadt-Land-Graben.
Das Wichtigste in Kürze
- Abstimmungen im Kanton Bern zeigen häufig einen Stadt-Land-Graben.
- Werner Salzmann macht sich deshalb Sorgen und denkt über ein Gemeindemehr nach.
- Das Abstimmungsresultat zum Transitplatz Wileroltigen akzeptiert die SVP diskussionslos.
153'392 Personen sagten am Sonntag ja. Sie stimmten bei der kantonalen Abstimmung für den Drei-Millionen-Kredit für den Bau eines Transitplatzes für ausländische Fahrende in Wileroltigen. 133'545 stimmberechtigte Berner sagten Nein – das sind fast 20'000 Personen weniger.
Ein einigermassen deutliches Resultat. Könnte man meinen. Denn: Die Präsidenten der Jungen SVP, welche sich gegen den Kredit einsetzten, machen auf die markant ungleiche Verteilung der Zustimmung aufmerksam. Nur drei der insgesamt zehn Verwaltungskreise sagten Ja.
Die Stadt hat wieder mal das Land überstimmt! Wie wärs denn mit einem #Transit plätzlein in der @Bern_Stadt wäre mal eine Idee die auch auf dem Land ankommt! 😉#transitplatz pic.twitter.com/LfI3ErTXe7
— Severin Mori (@SeverinMori) February 9, 2020
Die detaillierten Abstimmungszahlen der Staatskanzlei Kanton Bern zeigen indes noch mehr. Im Verwaltungskreis Bern-Mittelland war nicht nur die Zustimmung sehr hoch (60,8 Prozent), sondern auch die Stimmbeteiligung lag mit über 45 Prozent deutlich über der durchschnittlichen Stimmbeteiligung (40,2 Prozent).
Der Verwaltungskreis, der mit 41 Prozent den Kredit am wenigsten unterstützen wollte, war Obersimmental-Saanen. Dieser stellt aber auch einen verschwindend kleinen Teil (1,6 Prozent) an der Gesamt-Berner Bevölkerung. In Bern-Mittelland dagegen leben fast 40 Prozent der Stimmbürger. Auch in den zustimmenden Kreisen Biel (8,5 Prozent der Stimmbürger) und Thun (11,1 Prozent) lebt ein bedeutender Teil.
Erneut haben sich die urbanen Berner Zentren gegen die fast geschlossene Landbevölkerung durchgesetzt. SVP-Ständerat Werner Salzmann ist sich dieses Stadt-Land-Grabens bewusst. «Aufgrund dieser Feststellung könnte man über ein Gemeindemehr (analog Ständemehr) nachdenken», überlegte er am Wochenende deshalb laut.
«Ich kritisiere nicht den Volksentscheid», erklärt Salzmann auf Anfrage, «sondern stelle einfach fest, dass in den ländlichen Gemeinden eine gewisse Frustration vorhanden ist, wenn sie von den grösseren Agglomerationen und vor allem der Stadt Bern überstimmt werden, die Folgen dann aber andere tragen.»
Diesbezüglich sei auch die Regionalkonferenz zu hinterfragen. «Wir werden dies im Detail aber noch genauer anschauen müssen und werden dazu auch mit der Jungen SVP zusammensitzen.»
Junge SVP sorgt sich um den demokratischen Zusammenhalt
Adrian Spahr, Co-Präsident der Jungen SVP Kanton Bern, ärgert sich über den Transitplatz-Kredit, den er verhindern wollte. «Dass die Städte das Land überstimmen, ist kein neues Thema. Aber in einer derart krassen Weise wie letzten Sonntag habe ich es selten erlebt.» Am meisten störe ihn, dass das Land nun mit dem Transitplatz und den Fahrenden leben müsse, weil die linken Städter das Land überstimmt haben.
Aus seiner Sicht hätte der Kanton ohnehin nicht über den Transitplatz abstimmen müssen, da der Gemeinderat und die Gemeindeversammlung von Wileroltigen bereits Nein gesagt hätten. «Die Stadtbevölkerung gefährdet die Solidarität und wir sind deshalb nicht länger bereit zuzusehen, wie der Graben zwischen Stadt und Land mehr wächst», erklärt Spahr. Die Überlegungen zum Abstimmungsmechanismus sei daher auch vor dem Hintergrund des demokratischen Zusammenhalts des Kantons zu sehen.
Diesbezüglich sei man mit der Berner SVP in Kontakt, bestätigt Spahr. «Ein Gemeindemehr ist die eine Idee, die andere wäre eine Art Verwaltungskreismehr. Sicherlich gibt es auch noch andere Vorschläge, die wir anschauen werden.»
Gemeindemehr spricht andere Sprache
Das Resultat der Gemeinden bei der Abstimmung zum Transitplatz Wileroltigen spricht indes eine deutliche Sprache. Von den insgesamt 336 Gemeinden im Kanton Bern, lehnten 232 den Kredit ab. Das entspricht 69 Prozent. Am Gemeindemehr wäre die Abstimmung demnach deutlich gescheitert - wenn es denn ein solches gäbe.