Formel 1 im Not-Gang - Europa-Kalender ohne Deutschland
Es wird eine denkwürdige Formel-1-Saison. Ein Start mit vier Monaten Verspätung und ein neuer Kalender in der Corona-Pandemie. Lewis Hamilton könnte den Titel-Rekord von Michael Schumacher einstellen, und Ferrari sein 1000. Rennen doch noch in diesem Jahr bestreiten.
Das Wichtigste in Kürze
- Binnen fünf Monaten will die Formel 1 den Weltmeister des Corona-Jahres 2020 im Eiltempo küren, die Etappen der Europa-Tour stehen dafür jetzt fest.
Die Königsklasse des Motorsports veröffentlichte den Not-Kalender zumindest für die ersten acht Rennen auf dem alten Kontinent - und macht um Hockenheim vorerst einen Bogen. Wie nach der Freigabe durch das österreichische Gesundheitsministerium erwartet, startet die Rekordmission von Lewis Hamilton mit einem Grand-Prix-Doppelpack vor Geisterkulisse am 5. und 12. Juli in Spielberg auf dem Red Bull Ring.
«In den vergangenen Wochen haben wir unermüdlich mit allen unseren Partnern gearbeitet, der Fia und den Teams, um einen Kalender für den Beginn zu erstellen, der es uns ermöglicht, unter Bedingungen zu starten, die so sicher wie möglich sind», sagte Geschäftsführer Chase Carey in der Mitteilung. Neben der Formel 1 wird auch die Formel 2 mit Mick Schumacher nach dem neuen Kalender an den Start gehen.
Insgesamt wollen die Formel-1-Macher 15 bis 18 Rennen in diesem Jahr über die Bühne bringen - 22 waren es im ursprünglichen Kalender gewesen und damit so viele wie noch nie in der Historie der Formel 1. Deutschland bleibt nach aktueller Planung zunächst draussen, als möglicher Ersatz wird der Hockenheimring aber weiter gehandelt. Acht Rennen müssen es laut Reglement mindestens sein, um am Ende einen Weltmeister küren zu dürfen. Bei weniger als 15 Rennen würden die TV-Einnahmen reduziert.
Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz sprach von einer «einzigartigen Herausforderung in der Geschichte der Formel 1». Der Milliardär aus Österreich versprach, die beiden Wochenenden in Spielberg würden ein «starkes Signal der Machbarkeit in die ganze Welt senden».
Die Formel-1-Gemeinde reagierte mit Botschaften der Vorfreude auf die Neustart-Pläne. Weltverbandschef Jean Todt gratulierte «allen, die das möglich gemacht haben». Red-Bull-Pilot Max Verstappen schrieb bei Twitter, er zähle bereits die Tage. Das Mercedes-Team verwies auf den Auftakt mit einem Heimspiel für den österreichischen Teamchef Toto Wolff.
Sollte Superstar Hamilton im Silberpfeil am Ende wieder als Champion feststehen, würde der 35 Jahre alte Brite den lange für unerreichbar gehaltenen Rekord von Michael Schumacher (51) mit sieben Titeln einstellen. Um nach Siegen auch in diesem Jahr mit dem Deutschen gleichzuziehen, müsste Hamilton sieben Rennen gewinnen. Theoretisch kann das auch schon Ende August auf der Europa-Tournee soweit sein.
Nach dem Auftakt in der Steiermark kommt es am 19. Juli auf dem Hungaroring bei Budapest zum dritten Rennen an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden, ehe Hamilton am 2. und 9. August in seiner britischen Heimat antritt. Für den Formel-1-Tross macht die Regierung des Königreichs Medienberichten zufolge eine Ausnahme und sieht von den zweiwöchigen Selbstisolation bei der Einreise ab.
Von Silverstone werden Piloten und Material umgehend an den Circuit de Catalunya-Barcelona gebracht. Am 16. August wird dort der Grosse Preis von Spanien nachgeholt und damit der zweite Dreierpack beendet.
Wie auch im eigentlichen Rekord-Kalender geplant, wird am 30. August im belgischen Spa-Francorchamps gefahren, am 6. September bleibt es beim Ferrari-Heimrennen in Monza. Die Verantwortlichen dort planen vorerst auch noch mit einem Geisterrennen. Carey hofft allerdings, dass auch Zuschauer wieder zugelassen sein werden, sobald die Lage wieder sicher ist.
Für die Scuderia wird das Italien-Gastspiel Statistiken zufolge die 999. Grand-Prix-Teilnahme in die Formel-1-Historie sein. Wo Ferrari das 1000. absolvieren wird, steht noch nicht fest, es könnte Baku in Aserbaidschan sein. Für Sebastian Vettel könnte ein Sieg vorher im Königlichen Park, wo er 2008 im Toro Rosso den ersten seiner bisherigen 53 Karriereerfolge feierte, den Abschied von Ferrari nach der Saison ein wenig versöhnlicher machen - auch wenn er voraussichtlich auf die euphorischen Tifosi verzichten muss.
Wie es nach Monza in Übersee weitergeht, steht noch nicht fest. Es wird aber unter anderem davon ausgegangen, dass im November die Premiere in Hanoi nachgeholt wird. Medien berichteten zuletzt, dass der Grosse Preis von Vietnam nur für einheimische Zuschauer zugänglich sein soll. Der Grosse Preis von Brasilien in São Paulo, wo die Pandemie besonders wütet, soll nach jüngsten Angaben des Veranstalters im November dagegen mit Zuschauern ohne weitere Einschränkungen stattfinden. Zweifel an diesen Plänen bleiben.
Dass die Formel 1 nach monatelanger Zwangspause, in der in Werken statt Motoren und Chassis teilweise Geräte zur Unterstützung im Kampf gegen das Coronavirus hergestellt wurden, wieder durchstarten darf, liegt auch am vorgelegten Sicherheits- und Hygienekonzept. Nachdem der Auftakt am 15. März in Melbourne kurz vor dem ersten Training wegen eines Corona-Falls beim McLaren-Team abgesagt worden war, dürfen nun vorerst nur maximal 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Team an die Strecke kommen.
Jeder Rennstall ist in einem separaten Hotel untergebracht. Die sonst üblichen Motorhomes, die vor allem an den Europa-Strecken aufgebaut werden, soll es nicht geben. Vor der Einreise müssen sich Fahrer und das restliche Personal auf das Sars-CoV-2 testen lassen. «Wir müssen eine Umwelt schaffen, die selbst eine kleine Blase der Isolation ist», hatte Formel-1-Direktor Ross Brawn erklärt.