Hitler-Gruss und Militär-Salut - «Schreckliche Nacht»

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Bulgarien,

Der Fussball geriet in Sofia und Paris in den Hintergrund. Während in Bulgarien rassistische Ausschreitungen auf den Rängen den Abend dominierten, zeigten türkische Nationalspieler in Frankreich wieder Militärgrüsse. UEFA und FIFA zeigen deutliche Reatkionen.

Eine Schande für den Fussball: Bulgarische Fans beim Spiel gegen England. Foto: Nick Potts/PA Wire/dpa
Eine Schande für den Fussball: Bulgarische Fans beim Spiel gegen England. Foto: Nick Potts/PA Wire/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Hitler-Grüsse in Sofia, Militär-Salut in Paris: Rassistische Eklats durch bulgarische Fans und die erneute politische Provokation türkischer Nationalspieler haben den Spieltag der EM-Qualifikation überschattet und für Fassungslosigkeit und Sorge in Fussball-Europa gesorgt.

Nachdem die Partie der Bulgaren gegen England (0:6) wegen rassistischer Fan-Ausschreitungen unterbrochen und nur unter Protest der Engländer zu Ende gespielt worden war, stellten sich die türkischen Spieler beim 1:1 in Frankreich an die Eckfahne und salutierten mit der Hand an der Stirn.

Der Fussball zeigte am Montagabend hässliche Seiten, der Sport und die Ergebnisse im Kampf um die EM-Teilnahme gerieten in den Hintergrund. Den wiederholt auffällig gewordenen Bulgaren droht eine heftige Strafe. «Die UEFA setzt sich dafür ein, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diese Krankheit im Fussball zu bekämpfen», sagte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin, ehe sein Verband Anklage gegen den bulgarischen Verband erhob. Ceferin bat auch die Politik um Hilfe, «um Krieg gegen die Rassisten zu führen».

FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach in einem Statement auf der Homepage des Weltverbands von einer «abscheulichen Krankheit», die in manchen Teilen der Welt nur noch schlimmer zu werden scheine. Rassismus im Fussball gehöre ausgerottet, betonte der FIFA-Chef. Diejenigen, die rassistischen Verhaltens bei einem Fussballspiel für schuldig befunden würden, sollten lebenslang aus Stadien verbannt werden.

Auch die Türken, deren provokante Gesten mit der umstrittenen Militäroffensive gegen die Kurden in Verbindung gebracht werden können, sehen einem Verfahren des Kontinentalverbandes entgegen. Der Abend, der «eine Schande für den Fussball war» («Daily Mirror»), könnte mit den zwei Brennpunkten in Paris und Sofia noch länger nachhallen.

TÜRKEN-PROVOKATION IN PARIS

Im Stade de France stand ein Bundesliga-Spieler im Mittelpunkt. Weil Kaan Ayhan von Fortuna Düsseldorf in der 81. Minute der Ausgleich gelang, haben die Türken beste Chancen auf die EM-Teilnahme. Nach seinem Tor stellten sich viele Nationalspieler wie schon beim 1:0 gegen Albanien auf und salutierten. Ayhan selbst wiederholte die Geste nicht - und geriet deshalb mit Merih Demiral von Juventus Turin auf dem Spielfeld in einen Disput, wie auf TV-Bildern zu sehen war.

Die Düsseldorfer wollen die Vorfälle mit ihren Spielern Ayhan und Kenan Karaman nach deren Rückkehr aufarbeiten. Nachdem sich die zwei Profis in der ersten Quali-Partie am Freitag salutierend eingereiht hatten, verzichteten sie auf eine Wiederholung - anders als etwa der frühere Hamburger und Leverkusener und aktuelle Milan-Profi Hakan Calhanoglu. «Sie haben es wieder getan, aber in Paris und ins Gesicht Europas ist das - nach allem, was geschehen ist - schlimmer als eine Kriegserklärung», schrieb die italienische Tagezeitung «La Stampa».

In der Causa waren am Wochenende auch die deutschen Nationalspieler Ilkay Gündogan und Emre Can in den Fokus gerückt, weil sie positiv auf Instagram-Einträge reagiert hatten, in denen türkische Spieler den Militärgruss zeigten. Beide zogen ihren «Likes» zurück. Der Bayerische Fussball-Verband (BFV) teilte indes mit, Amateur-Kicker, die den Militärgruss nachahmen, vor das Sportgericht zu zitieren.

Die UEFA hatte schon vor dem Spiel in Frankreich angedeutet, ein Verfahren gegen den türkischen Verband einzuleiten. Das Regelwerk des europäischen Verbandes verbietet politische Äusserungen in Stadien. Die zuständige Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer tagt am Donnerstag. Ob dann schon Sanktionen verhängt werden, ist fraglich. Möglich sind Geldstrafen, Platzsperren oder sogar Punktabzüge.

Kritikern geht das nicht weit genug. Der italienische Sportminister Vincenzo Spadafora will die Türkei und deren Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für die international heftig kritisierte Militäroffensive in Nordsyrien auch sportpolitisch bestrafen und Istanbul das nächste Champions-League-Finale im Mai 2020 entziehen. Das schrieb er in einem Brief an UEFA-Präsident Aleksander Ceferin und meinte, dass man dadurch zeigen könne, dass der Sport ein Instrument des Friedens sei.

RASSISMUS-EKLAT IN SOFIA

Eine friedliche Partie erlebten die Engländer in Sofia nicht. Schon in der ersten Halbzeit zeigten bulgarische Zuschauer auf den Tribünen den Hitler-Gruss und brüllten Affenlaute in Richtung der Spieler, so dass der Schiedsrichter die Begegnung zweimal unterbrach. Greg Clarke, der Vorsitzender des englischen Verbandes (FA), nannte das Geschehen «eine der schrecklichsten Nächte, die ich je im Fussball gesehen habe.» Die FA forderte die UEFA zu einem Verfahren auf.

Deren Boss Ceferin sagte laut einer Mitteilung: «Es gab Zeiten, vor nicht allzu langer Zeit, in denen die Fussballfamilie dachte, dass die Plage des Rassismus eine ferne Erinnerung sei. Die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass ein solches Denken bestenfalls selbstgefällig war.» Er ergänzte: «Fussballverbände allein können dieses Problem nicht lösen. Auch Regierungen müssen in diesem Bereich mehr tun.»

Die Beleidigungen waren «ziemlich klar auf dem Platz zu hören, aber wir zeigten eine grossartige Reaktion und ein grosses Miteinander, und letztendlich haben wir den Fussball sprechen lassen», sagte Tyrone Mings. Ziel der Attacken war vor allem Teamkollege Raheem Sterling.

Die Engländer hatten vor dem Spiel angekündigt, dass sie das Feld bei rassistischen Beleidigungen verlassen würden. Sie machten das nicht und wurden von Trainer Gareth Southgate in Schutz genommen. «Es war für uns unmöglich, alle zufrieden zu stellen», sagte er. «Leider sind wir durch Erfahrungen in unserem Land abgehärtet gegen Rassismus.»

Wiederholungstäter Bulgarien drohen drakonische Strafen. «Am Ende hat sich das kein bisschen wie ein Sportereignis angefühlt. Es fühlte sich an wie eine offene Wunde, ein Angriff auf die grundlegende Idee von Nationen, die zusammenkommen», schrieb der «Guardian».

Bulgariens Verbandschef Borisslaw Michailow trat am Dienstag auf Druck von aussen zurück. «Es ist unzulässig, dass Bulgarien, das einer der tolerantesten Staaten der Welt ist, wo Menschen unterschiedlicher Ethnien und Religionen in Frieden leben, mit Rassismus und Fremdenhass verbunden wird», schrieb Regierungschef Boiko Borissow auf Facebook. Er hatte Michailows Rücktritt gefordert.

Indes deutete Bulgariens Nationaltrainer Krassimir Balakow an, dass die Engländer überreagiert haben. Der Ex-Profi des VfB Stuttgart hatte schon vor Anpfiff gemeint, die Engländer hätten ein grösseres Rassismus-Problem als die Bulgarien. «Mmmmh ... da bin ich mir nicht so sicher, Chef», schrieb Sterling noch in der Nacht bei Twitter.

Fussball gespielt wurde am Montag übrigens auch: Die Ukraine machte die EM-Teilnahme durch ein 2:1 gegen Portugal perfekt. Dem Champion von 2016 reichte das 700. Karrieretor von Cristiano Ronaldo nicht.

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