Liverpool in der Corona-Krise: Moraldebatte statt Titelfeier
Es hätte seine Saison werden können. Nun müht sich der FC Liverpool mit Debatten um moralische Werte ab. Von Titelfeier keine Spur.
Das Wichtigste in Kürze
- Liverpool nutzt das Regierungsprogramm zur Rettung von Arbeitsplätzen nun doch nicht.
- Zum Gehaltsverzicht ist es aber noch nicht gekommen, obwohl viele dazu bereit wären.
- Auch andere englische Klubs sehen sich in einer Dilemma-Situation.
Ohne die Corona-Krise wäre der FC Liverpool längst englischer Fussballmeister. Doch statt den ersten Titel seit 30 Jahren feiern zu können, steckt der Club mitten in einer emotional geführten Debatte. Moralische Werte und wirtschaftliche Vernunft stehen dabei im Fokus.
Nach heftigem Gegenwind will Club-Boss Peter Moore die nicht fussballspielenden Mitarbeiter des Vereins doch nicht in den Zwangsurlaub schicken.
«Wir glauben, dass wir letzte Woche zum falschen Schluss gekommen sind. Das tut uns wirklich leid», schrieb Moore in einem offenen Brief. Er reagierte damit auf die scharfe Kritik von Liverpool-Anhängern und einigen Ex-Profis an der Massnahme.
Ursprünglich plante Liverpool, wegen der Coronavirus-Krise und der damit verbundenen Fussballpause ein Regierungsprogramm zur Rettung von Arbeitsplätzen zu nutzen. Der Staat hätte 80 Prozent der Löhne übernommen, der Verein den Rest. So sollten den Angestellten keine finanziellen Nachteile entstehen. Spieler und Jürgen Klopps Trainerstab würden währenddessen allerdings weiter ihr Salär kassieren.
Passt das zu einem Club, der sich als grosse Familie bezeichnet?
Die Premier-League-Profis konnten sich bisher trotz des wachsenden öffentlichen und politischen Drucks nicht zu einem Gehaltsverzicht durchringen. Viele Spieler wären aber grundsätzlich dazu bereit. Die Spielergewerkschaft PFA lehnt eine pauschale Gehaltskürzung von 30 Prozent ab.
Der PFA-Vorsitzende Gordon Taylor sieht die Vereine in der Pflicht, zuerst ihre Finanzen offenzulegen. Die Spieler müssten sichergehen, dass nicht wohlhabende Clubinhaber von ihrem Verzicht profitieren, sondern das Geld an den richtigen Stellen ankommt.
Zudem gebe es grosse Unterschiede bei den Einnahmen und Ausgaben, sagte Taylor dem «Guardian». Deshalb müsse jeder Club die Sache für sich selbst klären. Eine Lösung war bis Dienstag nicht in Sicht.
Nicht nur Liverpool im Dilemma
Solange keine Einigung erzielt wird, stecken die Vereine in einem Konflikt zwischen wirtschaftlichem Handeln und moralischen Werten. Auch andere Clubs, darunter Newcastle United, Norwich City und Tottenham Hotspur waren so vorgegangen. Anfangs schien sich kaum einer daran zu stören.
Während die Spieler noch zögern, sind die Premier-League-Trainer etwas weiter. Bournemouth-Trainer Eddie Howe und Graham Potter von Brighton & Hove Albion erklärten den freiwilligen Verzicht auf einen Teil ihres Lohns. Nun sollen weitere Kollegen ihre Bereitschaft zum Gehaltsverzicht signalisiert haben, darunter laut «Daily Mail» auch Liverpool-Coach Klopp.
Klopp hatte zu Beginn der Coronavirus-Pandemie einen Nerv getroffen. Er stellte trotz der bevorstehenden Meisterschaft klar, dass andere Dinge wichtiger seien als Fussball. Es wäre nur konsequent, wenn der beliebte Coach von Liverpool wieder mit gutem Beispiel vorangehen würde.