Der Torwart von Wembley: Fussball-Welt trauert um Tilkowski

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Deutschland,

«Und ewig fällt das Wembley-Tor.» Treffender hätte der Titel, den Hans Tilkowski für seine Memoiren wählte, kaum sein können. Tilkowski ist nun im Alter von 84 Jahren gestorben. Erinnerungen an den legendären Treffer im WM-Finale von 1966 werden wach.

Hans Tilkowski stand im WM-Finale 1966 im Wembley-Stadion im Tor der deutschen Nationalmannschaft. Foto: -/dpa
Hans Tilkowski stand im WM-Finale 1966 im Wembley-Stadion im Tor der deutschen Nationalmannschaft. Foto: -/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Drin oder nicht? Keine andere Frage hat Hans Tilkowski in seinem Leben häufiger beantwortet als die nach dem legendären Wembley-Tor.

Der Treffer zur vorentscheidenden 3:2-Führung der Engländer im WM-Finale von 1966 gegen Deutschland war eng mit seinem Namen verknüpft. Das Bild des damaligen deutschen Torhüters, wie er dem von Geoff Hurst an die Unterkante der Latte beförderten Ball hinterherschaut, wird auch seinen Tod überdauern. Der Kronzeuge von Wembley starb am Sonntag im Alter von 84 Jahren nach langer Krankheit im Kreise seiner Familie.

«Hans Tilkowski zählte nicht nur im Sommer 1966 zu den besten Torhütern der Welt. Der Weltmeistertitel wäre die verdiente Krönung seiner Karriere in der Nationalmannschaft gewesen», sagte DFB-Präsident Fritz Keller auf der Verbands-Homepage und würdigte Tilkowski als eine der «grössten Persönlichkeiten des deutschen Fussballs». Dem pflichtete Dortmunds Vereinsboss Reinhard Rauball bei: «Mit Hans Tilkowski verliert der deutsche Fussball einen auch international hoch angesehenen Sportler. Mit Borussia Dortmund schrieb er Fussballgeschichte. Die BVB-Familie trauert um einen grossartigen Menschen und drückt der Familie des Verstorbenen ihr Beileid aus.»

Die zweifelhafte Entscheidung des Schiedsrichters in London brachte den «König des Stellungsspiels» um den grössten Triumph seiner Karriere. Seiner Popularität war sie hingegen eher förderlich. Obwohl der Ball wohl nicht in vollem Umfang die Linie überschritt, entschied der Schweizer Referee Gottfried Dienst auf Geheiss des sowjetischen Linienrichters Tofik Bahramow auf Tor. Das ebnete den Engländern den Weg zum 4:2-Erfolg.

In den zahllosen späteren Interviews pflegte Tilkowski ein Ritual. «Ich habe immer gleich am Anfang gesagt, dass der Ball nicht drin war. Dann war das Thema durch», verriet er. «Hätte ich für diese Antwort jedes Mal eine Mark verlangt», wäre ich Millionär.»

Die Nachricht vom Tod des deutschen Torhüters sorgte auch beim Schützen des legendären Wembley-Treffers für Trauer: «Ein grossartiger Spieler für seinen Verein, Borussia Dortmund und sein Land und ein sehr feiner Mann. Ich habe die Zeit, die wir über die Jahre zusammen verbracht haben, sehr genossen», twitterte der heute 78 Jahre alte Hurst, der von der Tilkowski-Familie telefonisch informiert wurde. «Das hat mich sehr berührt.»

«Und ewig fällt das Wembley-Tor» - einen treffenderen Titel hätte Tilkowski seinen Memoiren nicht geben können. Als tadelloser Sportsmann der alten Schule machte er aus dem historischen Fehlurteil indes kein grosses Aufheben. Es passte ins Bild, dass er die vor wenigen Jahren eingeführten Torlinientechnologie ablehnte. «Ich bin dagegen, weil dadurch die Attraktivität des Fussballs und die Diskussion um Fussball verloren geht», kommentierte er wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag. «Wer wird zukünftig noch jahrelang über so ein Tor wie das von Wembley sprechen können?»

Auch ohne Weltmeistertitel erreichte der gelernte Stahlbauschlosser Legenden-Status. Als sein BVB als erstes deutsches Team 1966 einen Europapokal gewann, hütete der gebürtige Dortmunder das Tor. Zudem wurde Tilkowski, der neben dem Engländer Gordon Banks und dem Russen Lew Jaschin zu den weltbesten Keepern seiner Zeit gehörte, ein Jahr vor dem WM-Finale als erster Torwart zum «Fussballer des Jahres» gewählt. Das erfüllte ihn noch Jahrzehnte später mit Stolz: «Mit der Auszeichnung habe ich nachfolgenden Torhütern einen Weg geebnet. Sie werden heute ganz anders eingestuft.»

Tilkowski, der 1955 bei Westfalia Herne seinen ersten Profivertrag unterschrieb, erlebte beim BVB von 1963 bis 1967 seine beste Zeit. Nicht ganz freiwillig wechselte er 1967 zu Eintracht Frankfurt, wo er noch drei Jahre spielte. Für die deutsche Nationalmannschaft bestritt er 39 Spiele.

Nach seiner aktiven Karriere erwarb er seine Fussballlehrer-Lizenz und arbeitete als Trainer bei Werder Bremen, 1860 München, beim 1. FC Nürnberg, dem 1. FC Saarbrücken und AEK Athen. «Ich habe so beide Seiten sehen können, aber auch, wie ohnmächtig ein Trainer sein kann», kommentierte Tilkowski am Ende seiner Trainer-Wanderjahre.

Als «Fussball-Rentner» spielte er in Prominenten-Teams für wohltätige Zwecke. Als «Botschafter der guten Tat» trug er danach unter anderem für das Weltkinderhilfswerk UNICEF und für Mukoviszidose- und Multiple-Sklerose-Kranke mehr als eine Million Euro zusammen.

Die Leidenschaft für den Fussball hat er nie verloren. Bis kurz vor seinem Tod sass er bei den BVB-Heimspielen auf der Tribüne. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke würdigte die Verdienste des Verstorbenen: «Hans Tilkowski war ein äusserst erfolgreicher und immer tadelloser Sportsmann, der bekannt war für sein soziales Engagement.»

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