Lewis Hamilton: Der Weltmeister als Formel-1-Meinungsführer
Das Wichtigste in Kürze
- Nicht erst seit Melbourne ist Lewis Hamilton der grosse Meinungsführer der Formel 1.
- Der Brite nimmt eine Sonderstellung ein – und ist sich seiner Rolle bewusst.
- Einfach war der Werdegang zum Freigeist und Superstar nicht.
Nach dem Coronavirus-Chaos von Melbourne genoss Lewis Hamilton die Höhenluft. In einer Kletterhalle schaltete der sechsmalige Formel-1-Weltmeister nach der Posse um die Absage des Saisonauftakts in Australien ab. Danach stürzte er sich in einem Surfpark auch in die Wellen.
Der Mercedes-Pilot hatte noch vor der Absage so deutlich wie kein anderer Fahrer Position gegen die Austragung bezogen. Der 35-Jährige mischt sich ein – und weicht vor keinem Thema mehr zurück.
Hamilton hat sich den Status des Meinungsführers hart erarbeitet. Über die Sozialen Netzwerke inszeniert er sich und seine Sicht auf die Welt. Vor seiner Ankunft in Melbourne in der vergangenen Woche besuchte der Engländer von den monatelangen Buschbränden verwüstete Gebiete.
Lewis Hamilton – der klimaneutrale Spritverbrenner
«Wenn man darüber liest und im Fernsehen verfolgt, sieht es entsetzlich aus. Aber wenn man die wahre Zerstörung aus der Nähe betrachtet, bricht es einem nur noch mehr das Herz», so Hamilton. Der Brite hatte zuvor schon Spenden von mehreren Hunderttausend Dollar angekündigt. Medienwirksam fütterte er in einem roten Ballonseide-Anzug auch ein Baby-Känguruh.
Klima und Naturkatastrophen beschäftigen Hamilton genauso wie Tierhaltung, fleischlose Ernährung und nachhaltiger Anbau von Lebensmitteln. Seit drei Jahren lebt er mittlerweile vegan. Als Topsportler fühlt er sich dadurch fitter. «Der Darm ist dein zweites Gehirn», meinte er einmal über den Einfluss von Ernährung.
Lewis Hamilton will klimaneutral leben – den augenscheinlichen Widerspruch zu seinem Dasein als Jetsetter in einer Hybrid-Serie muss er akzeptieren. «Ich erlaube niemandem, in meinem Büro oder meinem Haushalt irgendwelches Plastik zu kaufen. Ich will, dass alles wiederverwertbar ist, bis hin zur Zahnbürste», erklärte er im vergangenen Herbst.
«Ich versuche in meinem privaten Bereich so viel zu verändern, wie es nur geht. Ich habe auch mein Flugzeug vor einem Jahr verkauft. Unter dem Jahr versuche ich noch weniger zu fliegen.»
Australien-GP eine «schockierende» Entscheidung
In Melbourne baute ein einziger Fahrer eine Druckkulisse auf die Bosse der Formel 1 auf – Lewis Hamilton. «Schockierend» fand er es, dass sich die PS-Szene auf dem Albert Park Circuit versammelte. Da schrillten in anderen Ländern aufgrund des Coronavirus längst die Alarmglocken.
«Es scheint, als ob der Rest der Welt reagiert», monierte Hamilton. Die Leerstelle sollte gefüllt werden mit den Worten: Die Formel 1 tut es nicht. Sie tat es dann doch, aber erst spät. Und eben auch erst auf Druck des Superstar-Fahrers.
Der Mut, öffentlich Stellung zu beziehen, hat sich auch bei einem Lewis Hamilton erst über die Jahre entwickelt. Courage besass er aber eigentlich schon immer. Als Zehnjähriger war er auf den damaligen McLaren-Boss Ron Dennis zugegangen und hatte ihm erklärt: «Hi, ich bin Lewis Hamilton und ich will eines Tages euer Auto fahren.»
Jahre später holte ihn Dennis tatsächlich ins Nachwuchsprogramm, 2007 debütierte Hamilton schliesslich in der Formel 1. Aber es brauchte einige weitere Entwicklungsschritte, bis aus Hamilton der Freigeist und Superstar von heute wurde. Der Abschied vor dem Allesbestimmer Dennis und Mclaren; die Trennung von Vater und Manager Anthony. Und natürlich den Wechsel zu Mercedes, als Nachfolger von Michael Schumacher.
Besondere Rolle auch durch die Hautfarbe
«Man muss akzeptieren, dass jeder anders funktioniert», sagte sein aktueller Teamchef Toto Wolff. «In dem wir ihm die Freiheit geben, seine Interessen zu verfolgen, können wir mehr Leistung auf der Strecke herauskitzeln.»
Mit Mode, Reisen oder Musik lenkt sich Hamilton ab. Vergessen geht seine besondere Rolle als erster schwarzer Pilot in der Formel 1 dabei nicht. «Ich will den Weg ebnen für Fahrer, die einen ähnlichen Hintergrund haben wie ich», beteuerte der Mann aus Stevenage einmal. Als schwarzer Junge unter weissen Jungs wurde Hamilton vor allem in seinen Kart-Tagen auch rassistisch beleidigt.
«Wir müssen anerkennen, dass wir in der Formel 1 nicht besonders divers sind», räumte Wolff ein. «Ich habe durch Lewis gelernt zu akzeptieren, dass es schwierig ist, Diskriminierung von Zeit zu Zeit zu überwinden.» Es ist eines der Themen, das Hamilton umtreibt. Und er wird sich weiter Gehör verschaffen.