Die Weltcup-Rückkehr von Marcel Hirscher sorgt für viel Diskussionsstoff. Der Spass als Beweggrund für den Wiedereinstieg scheint nur die halbe Wahrheit.
Marcel Hirscher
Die beiden Weltcup-Rückkehrer: Marcel Hirscher und Lucas Braathen. - Instagram @pinheiiiroo

Das Wichtigste in Kürze

  • Marcel Hirscher steht vor seinem Weltcup-Comeback.
  • Der Österreicher betonte immer, dass der Spass im Vordergrund stehen soll.
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Er würde ja schon gerne. Noch hat er sich aber nicht entschieden, noch kann und will er seinen Entschluss nicht kundtun. Noch fehlt Hirscher offenbar die Überzeugung, für den Weltcup-Riesenslalom am übernächsten Sonntag auf dem Rettenbach-Gletscher oberhalb von Sölden bereit zu sein. Noch ringt der Salzburger mit sich, ob die Zeit für die Rückkehr fünf Jahre nach dem Rücktritt reif sein wird.

Glaubst du, dass Marcel Hirscher nochmals Weltcup-Rennen gewinnt?

Reif wofür denn? Der Spass soll ja im Vordergrund stehen, nicht der Kampf um Hundertstelsekunden. Das betont Hirscher seit seinem vor einem halben Jahr offiziell verkündeten Willen, nochmals Skirennfahrer zu sein, immer wieder. Es sei nicht mehr das Gleiche, sagt er auch, er selber sei nicht mehr der Gleiche. Bei seiner körperlichen Verfassung ortet er gravierende Unterschiede. Die Abstimmungsarbeiten beim Material betrachtet er als längst nicht abgeschlossen. Der Tüftler weiss von «unzähligen Komponenten», die verbessert werden können.

Marcel Hirscher: «Jetzt zählt für mich auch anderes»

Es tönt nicht vollends nach Sinneswandel nach dem Nationenwechsel weg von Österreich hin zu den Niederlanden, dem Geburtsland seiner Mutter. Da gibt es Widersprüche, die Rätsel aufgeben. Nunmehr sollen in den Trainings abseits der Piste die allgemeine Fitness im Zentrum stehen und auf Gesundheit ausgerichtet sein. «Das ist kein Vergleich zu früher, als sich alles um die bestmögliche Leistung gedreht hat. Jetzt zählt für mich auch anderes, als zwischen Rot und Blau schnell zu sein.»

Hirscher nennt die fünf Jahre seit seinem Abgang prägend, spannend, abwechslungsreich(er), intensiv. Die Schauplätze sind zahlreicher geworden. Der einstige Spitzensportler hat den Berufswechsel zum Geschäftsmann mit eigener Ski-Firma scheinbar problemlos vollzogen. Geblieben sind ihm die Akribie, die Liebe zum Detail, die Sehnsucht nach neuen Lösungen, nach steten Fortschritten, nach Erfolg.

Warum kommt Sölden zu früh, wenn Hirscher nur Spass haben will?

Und nun soll nur noch Spass sein auf der Piste? Rennfahrerei als Abwechslung vom Alltagsstress als Ski-Produzent? Rennmässige Selbstversuche im Sinne der Weiterentwicklung der Produkte aus der eigenen Firma?

Die Ambitionen sollen zurückgesteckt, der innere Antrieb, noch einmal an der Spitze mitzutun, soll ausgeschaltet sein? Der Glaube daran fällt schwer – umso mehr, wenn Hirscher davon spricht, noch nicht bereit zu sein.

Nur um Spass zu haben, würden seine gegenwärtige Physis und der aktuelle Stand in der Materialabstimmung mit Sicherheit reichen, käme Sölden nicht zu früh. Die vielerorts geäusserte Behauptung, ein achtfacher Gesamtweltcup-Sieger trete nicht an, um Fünfzehnter zu werden, ist auf jeden Fall nicht ganz abwegig.

Konkurrenz spricht über Siege

Grössere Zweifel kommen dagegen auf bei den Vorhersagen von ehemaligen Mitstreitern, die Hirscher zutrauen, wieder ganz nach vorne zu kommen. Das Werweissen über seinen neuen, wahren Leistungsstandard wird erst mit Hirschers erstem Renneinsatz in diesem Winter ein Ende haben und wird es auf die vielen Fragen Antworten geben.

Hirscher ist womöglich nicht mehr der verbissene Athlet mit der endlosen Gier nach Siegen, Medaillen und Trophäen. Kann er vielleicht auch gar nicht mehr sein. Fünf Jahre Absenz haben auch beim Allerbesten vergangener Tage ihre Spuren hinterlassen. Möglicherweise fährt er im Wortsinn gut damit, das Unternehmen Wiedereinstieg aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, losgelöst von seinen einstigen Erfolgen anzugehen, die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Ist Marcel Hirscher bereit für Spass?

Ob er dafür bereit ist, weiss nur Hirscher selber – oder eben nicht. Wenn er nach dem Trainingslager im Gebiet Round Hill in Neuseeland von der Stunde Null eines langen Weges spricht, der noch vor ihm liegt, um wieder einigermassen das einstige Niveau zu erreichen, hat er mit seiner ersten Karriere noch nicht abgeschlossen.

Die Hoffnung, das Rad der Zeit nochmals zurückdrehen zu können, scheint in seinen Gedanken noch zu dominant zu sein. Der Ernst der Sache ist offensichtlich noch zu prägend, um den Spassfaktor auch in seinem Innersten uneingeschränkt ins Zentrum zu rücken. Nicht von einem Comeback, sondern von einem Herzensprojekt zu sprechen, genügt nicht.

Hirschers Planung ist auf eine Saison ausgerichtet. Im Moment jedenfalls. Die Option auf Verlängerung schliesst er nicht vollends aus. «Sag niemals nie». Wieder schafft er Raum für Fragen und Spekulation. Erfolg könnte, anderen Ambitionen und veränderten Ansprüchen zum Trotz, ein gutes zusätzliches Argument fürs Weitermachen über den kommenden Winter hinaus sein. Neben dem Spass natürlich.

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