Die Volkskrankheit Einsamkeit und ihre körperlichen Folgen

Schon lange ist bekannt, dass die Seele unter Einsamkeit leidet. Doch mittlerweile ist erwiesen, dass das Gefühl von Isolation auch körperlich krank macht.

Einsamkeit kann macht traurig und depressiv. - depositphotos

Das Wichtigste in Kürze

  • Mehr als ein Drittel der Schweizer Bevölkerung fühlt sich einsam.
  • Einsamkeit ist nicht mit Alleinsein zu verwechseln.
  • Auf Dauer erhöht Einsamkeit das Risiko für Herzkrankheiten, Krebs und Demenz.

Über Einsamkeit wird sehr viel geschrieben. Dabei ist jedoch zunächst zwischen Einsamkeit und Alleinsein zu unterscheiden. Viele Menschen sind gerne alleine.

Sie gehen solitären Hobbys wie Handwerksarbeiten, Lesen oder Basteln nach, streifen alleine auf langen Wanderungen durch die Natur und verreisen alleine.

Einsamkeit ist dagegen nicht freiwillig. Jeder kennt das Gefühl, sich ab und zu nach Gesellschaft zu sehnen, wenn gerade niemand da ist. Tritt dieses Gefühl häufiger auf oder ist sogar permanent anwesend, kann es jedoch krank machen.

In den letzten Jahren hat Einsamkeit stark zugenommen – Forscher sprechen sogar von einer Epidemie der Einsamkeit in aller Welt.

Digital vernetzt und doch immer einsamer

2017 gab in einer Umfrage 38 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren an, sich einsam zu fühlen. Die Tendenz ist damit seit 2002 steigend.

Der erzwungene Rückzug von zahlreichen menschlichen Kontakten aufgrund der Corona-Pandemie dürfte den Anteil der Einsamen noch einmal stark erhöhen.

Durch die Pandemie sind viele nur noch sozial miteinander vernetzt. - depositphotos

Eigentlich ist dies ein Paradox, da die Menschheit heute stärker vernetzt ist als je zuvor. Doch zahlreiche Studien haben belegt, dass Kontakte über das Internet und Social Media kein Ersatz für echte menschliche Nähe ist.

Im Gegenteil: Dadurch, dass viele Menschen selbst beim Zusammensein mit echten Freunden ständig das Smartphone im Blick haben, wächst die Distanz zu diesen Freunden.

Einsamkeit führt zu erhöhtem Stresslevel

Es liegt auf der Hand, dass Einsamkeit zu Depressionen führen kann. Doch dies ist nur eine von vielen Arten, auf die Einsamkeit krank machen kann.

So hat sich herausgestellt, dass Einsamkeit den Stresspegel erhöht und zu einer verstärkten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol führt.

Ist der Cortisolspiegel dauerhaft erhöht, führt dies zu höherem Blutdruck und zu höheren Blutzuckerwerten. Zugleich wird das Immunsystem geschwächt, wodurch wiederum die Infektionsgefahr steigt.

Oft stehen Menschen die einsam sind unter hohem Druck und fühlen sich alleine. - depositphotos

Der Grund dafür liegt in der Steinzeit: Der frühe Mensch war genau wie andere Primaten ein Rudeltier, das innerhalb der Gruppe Schutz fand und suchte. War er alleine, war er schutzlos Raubtieren wie dem Säbelzahntiger ausgesetzt.

Er reagierte mit Panik, wodurch Stresshormone ausgeschüttet wurden. Sobald er seine Gruppe wieder gefunden hatte, konnten diese Stresshormone jedoch abgebaut werden.

Dem modernen Menschen fehlt das Rudel

In den letzten Jahrzehnten sind überall in der westlichen Welt klassische Gruppenstrukturen zusammengebrochen.

Häufig leben Familien weit von anderen Familienmitgliedern wie Grosseltern und Geschwistern entfernt. Die früher so typische Grossfamilie, die ständig für einander da ist, ist dagegen kaum noch anzutreffen.

Gute Freunde oder Gleichgesinnte können bei der Einsamkeit helfen. - depositphotos

Auch andere klassische Gruppen wie kirchliche Gemeinden und Vereine sind seit Jahren im Rückgang begriffen.

Konnte ein Individuum früher Gemeinschaft beim wöchentlichen Kirchgang und bei sozialen Aktivitäten im Verein finden, ist es heute sich selbst überlassen.

Einsamkeit so schädlich wie 15 Zigaretten täglich

Mittlerweile ist Einsamkeit als Krankheit anerkannt. Forscher vergleichen die gesundheitlichen Schäden des Gefühls von Einsamkeit mit denen von 15 Zigaretten pro Tag.

Doch während sich der Körper eines Rauchers erholt, wenn das Rauchen einmal eingestellt wurde, sind die Folgen von Einsamkeit oft dauerhaft.

Einsamkeit verursacht Stress und führt oft zur Alkoholsucht. - depositphotos

Die ersten Länder haben bereits reagiert. Grossbritannien hat 2018 einen Minister für Einsamkeit ernannt, Japan folgte 2021.

Die neuen Ministerien sollen intensive Forschungen zu den Gründen für die grassierende Einsamkeit betreiben und Auswege suchen.

Mehrgenerationenhäuser als Ausweg?

Weit verstreut lebende Familien und ein immer weiter steigender Anteil an Ein-Personen-Haushalten gehören zu den Hauptursachen für Einsamkeit.

Ein Lösungsansatz ist das sogenannte Mehrgenerationenhaus, das an vergangene Zeiten anknüpft.

Ältere Menschen werden sehr oft alleine gelassen. - depositphotos

Es könnte verschiedene besonders stark betroffene Gruppen zusammenbringen. Einsame Senioren, die nach dem Verlust des Partners alleine auf der Welt sind.

Junge Familien, die sich nach der Geburt des Kindes von Freunden und früheren Aktivitäten isoliert fühlen und junge Menschen, die nach dem Umzug für Studium oder Beruf nur schwer Anschluss in der neuen Stadt finden.

Selbst aktiv werden – und das Smartphone weglegen

Das Internet und soziale Medien sind Fluch und Segen zugleich. Einsame Menschen können online Gruppen mit gleichen Interessen finden und sich ihnen anschliessen.

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe Portale, auf denen Menschen Freunde und Freundinnen suchen (und nicht nur klassisches Dating).

Daneben gibt es viele Möglichkeiten, ehrenamtliche Engagements online zu finden und so Kontakte zu knüpfen.

Legen Sie das Smartphone weg und treffen wieder Leute. - depositphotos

Doch umgekehrt beherrscht die digitale Welt das Leben vieler Menschen so sehr, dass sie sich in der Realität kaum noch zurechtfinden.

Als erster Schritt kann es helfen, einfach mal das Smartphone beiseite zu legen und vernachlässigte Freundschaften aufzuleben zu lassen.

Liken Sie nicht nur die Beiträge des alten Schulfreundes auf Instagram oder Facebook, sondern rufen Sie ihn an und treffen Sie eine Verabredung.