Neue Brexit-Verhandlungsrunde unter Zeitdruck

Unter grossem Zeitdruck versuchen die Europäische Union und Grossbritannien seit Dienstag, doch noch einen Handelspakt nach dem Brexit zustande zu bringen.

Die Fahnen der EU (oben) und von Grossbritannien wehen vor dem Parlament in Westminster. Foto: Yui Mok/PA Wire/dpa - sda - Keystone/PA Wire/Yui Mok

Das Wichtigste in Kürze

  • Noch immer versuchen die EU und Grossbritannien sich auf einen Handelspakt zu einigen.
  • Der Zeitdruck nach dem Brexit steigt immer weiter an.
  • Die von der EU gesetzte Frist verstreicht am heutigen Mittwoch.

Unter grossem Zeitdruck versuchen die Europäische Union und Grossbritannien seit Dienstag, doch noch einen Handelspakt zustande zu bringen. Der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth beschwor zum Auftakt der vorerst letzten Verhandlungsrunde die Einigungschancen.

Doch kritisierte der SPD-Politiker erneut britische Pläne, den bereits gültigen Brexit-Vertrag per Gesetz teilweise auszuhebeln. Das laste als «dunkler Schatten» auf den Verhandlungen. Am Abend stimmte das britische Unterhaus für das umstrittene Gesetz, nun muss es noch das Oberhaus passieren.

Ausscheidung zum Jahresende

Grossbritannien hat die EU bereits im Januar verlassen und scheidet zum Jahresende auch aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Das anvisierte Abkommen soll einen harten Bruch mit Zöllen und Handelshemmnissen verhindern. Auch bei der neunten Verhandlungsrunde sind die zentralen Streitpunkte das Thema Fischerei sowie die EU-Forderung nach gleichen Wettbewerbsbedingungen.

Barniers Sprecher Dan Ferrie sagte am Dienstag nichts zum Stand der Gespräche. Man werde erst nach Abschluss der Runde am Freitag Bilanz ziehen, sagte er. Die Zeit drängt: Der britische Premierminister Boris Johnson hat eine Frist bis 15. Oktober gesetzt, die EU bis Ende Oktober, um noch Zeit zur Ratifizierung zu haben.

Der britische Premierminister Boris Johnson. - Keystone

Staatsminister Roth meldete sich zum Auftakt der Runde mit einem ungewöhnlichen offenen Brief zu Wort. Er adressiert: «Liebe britische Regierung, Liebe britische Freundinnen und Freunde». «Wir sind fest entschlossen, die Verhandlungen zu einem guten Ergebnis zu führen», hiess es in dem vom «Spiegel» veröffentlichten Schreiben.

Der SPD-Politiker bekräftigte aber die Kritik am britischen Binnenmarktgesetz, das Teile des vor dem Brexit geschlossenen Austrittsabkommens aushebeln soll. Damit werde ein völkerrechtlicher Vertrag in Frage gestellt.

«Das kann und wird die EU so nicht akzeptieren», schrieb Roth. «Und es wirft einen dunklen Schatten auf die laufenden Verhandlungen.» Er liess jedoch offen, welche Konsequenzen die EU erwägt.

Aufflammender Konflikt mit Nordirland

Die EU-Kommission hatte der britischen Regierung eine Frist bis Ende September (Mittwoch) für eine Abkehr von den Plänen gesetzt. London hält an diesen jedoch fest. Mit 340 zu 256 Stimmen brachte Premier Boris Johnson das Gesetz mit einer klaren Mehrheit durch das Londoner Unterhaus. Die britische Regierung pocht jedoch darauf, das Gesetz sei notwendig als «Sicherheitsnetz» für den Fall eines harten Brexits.

Ex-Premierministerin Theresa May während einem Gespräch. - Keystone

Einige Abweichler in den eigenen Reihen hatte Johnson zuvor auf Linie gebracht, indem er ihnen weitere parlamentarische Kontrolle zugesichert hatte. Einzelne Torys, darunter auch Ex-Premierministerin Theresa May, hatten jedoch bis zuletzt Kritik geäussert. Ein Änderungsantrag der Labour-Partei, der die umstrittenen Passagen des Gesetzes ändern sollte, war am Dienstag zuvor abgelehnt worden.

Der Gesetzesplan widerspricht den im Vertrag vereinbarten Sonderregeln für Nordirland. Eine Bindung an den EU-Binnenmarkt soll verhindern, dass auf der irischen Insel frühere politische Unruhen wieder aufflammen.