Tote in Solingen (D): Terror-Experte: «So etwas hat sich angebahnt»

Nach der Messerattacke in Solingen mit drei Toten spricht ein verletztes Opfer. Ein Terror-Experte sah eine Attacke kommen. Die wichtigsten News im Ticker.

Ein Terrorismus-Experte hatte erst letzte Woche vor einem Anschlag gewarnt. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Opfer des Messerangriffs in Solingen hat über die Attacke vom Freitag gesprochen.
  • Alles habe sich in weniger als 15 Sekunden ereignet.
  • Ein Terror-Experte erklärt, wieso Anschläge in Europa derzeit zunehmen.

Bei einem Messerangriff in Solingen (D) am Freitag sterben drei Menschen. Acht weitere werden verletzt.

Der mutmassliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, befindet sich seit Samstagabend in Polizeigewahrsam, nachdem er sich gestellt hatte. Er hätte bereits Anfang 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und Verdachts der IS-Mitgliedschaft. Der in Untersuchungshaft sitzende Syrer habe eine möglichst grosse Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen töten wollen.

Alle Verletzten des Messerangriffs befinden sich mittlerweile ausser Lebensgefahr. Hier gibt es die wichtigsten Updates im Ticker.

14.20: Terrorismus-Experte Peter R. Neumann warnte erst letzte Woche vor einer steigenden Gefahr in Deutschland. Es bahne sich «etwas Grösseres» an, sagte er im Interview mit der «NZZ». Kurz darauf tötet ein Mann in Solingen drei Menschen.

«So etwas hat sich angebahnt», sagt Neumann nach der Messerattacke im Interview mit «focus.de». In den letzten zehn, elf Monaten habe sich die Anzahl der vereitelten und durchgeführten Terroranschläge dramatisch erhöht: «Es gab in dieser Zeit insgesamt 27 geplante Anschläge in Westeuropa, sechs davon wurden tatsächlich ausgeführt. Das ist im Vergleich zu den Zahlen von 2022 eine Erhöhung um das Vierfache.»

Der IS hat ein Video veröffentlicht, dass den Täter von Solingen zeigen soll. - keystone

Aus Sicht des Terrorismus-Experten könnte die tödliche Messerattacke in Solingen Teil einer neuen Terrorwelle in Westeuropa sein. «Diese Terrorwellen der Terrormiliz Islamischer Staat beginnen oft nicht mit dem ganz grossen Anschlag, sondern kündigen sich langsam an.» Man sei wieder an einem Punkt, «an dem die Dschihadisten sehr viel aktiver werden. Das war nur eine Frage der Zeit.»

10.40 Uhr: Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte sich am Samstag zur tödlichen Messerattacke in Solingen bekannt. Am Sonntagabend hat sie auf ihrer Seite «Amaq» ein Foto publiziert, das den Mörder zeigen soll. Zudem habe der IS ein Video des Täters erhalten. Dieses wurde ebenfalls geteilt.

Im etwa einminütigen Video ist ein vermummter, jung wirkender Mann zu sehen, der dem IS die Treue schwört und ein langes Messer in die Kamera hält. Er leistet dem Anführer des IS darin auf Arabisch einen Treueeid und bezeichnet diesen mit dem Ehrentitel «Emir».

Der mutmassliche Täter von Solingen gehört gemäss dem IS der Terror-Miliz an. - IS-Seite Amaq

Der IS teilte über seine Propagandakanäle im Internet mit, vom Täter des Messerangriffs von Solingen Videos erhalten zu haben. Wann das Video aufgenommen wurde und ob es sich beim darin gezeigten Mann um den Täter handelt, konnte zunächst nicht überprüft werden.

Der Mann nennt sich in dem Video Samarkand A. – möglicherweise ein Kampfname – und sagt, er stamme aus Dair as-Saur im Osten Syriens, wo Zellen der Terrormiliz bis heute aktiv sind und Anschläge verüben. Der von den Ermittlern genannte Name ist ein anderer als der in dem Video.

Ein vom IS publiziertes Video soll den Täter von Solingen zeigen. - Screenshot

Im IS-Video sagt der Mann, dass seine Attacke eine Vergeltung sei für die Tötung von Muslimen in Syrien, im Irak und in Bosnien. An seine Eltern gerichtet sagt er, sein Angriff sei auch ein Racheakt für die «Menschen in Palästina», die Massaker mit Unterstützung von «Zionisten» erleiden müssten – ein Verweis auf den Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen.

7.44 Uhr: Siavash Hosseini, einer der Verletzten, wird im Nacken getroffen und schwer verletzt. Gegenüber dem WDR spricht er von den Ereignissen: «Alles ist in weniger als 15 Sekunden passiert», sagt Hosseini nach dem Angriff. Reagieren können habe niemand, denn alles sei zu schnell gegangen.

Der aus dem Iran nach Deutschland geflüchtete Mann wollte am Stadtfest im westdeutschen Solingen Spass haben. «Ich habe gesehen, dass alle Leute draussen sind und tanzen.» Doch plötzlich sei das Chaos ausgebrochen.

Dem Täter habe er direkt in die Augen gesehen, ehe dieser auf ihn zukam, schildert Hosseini. Das Messer trifft ihn schliesslich im Nacken und sorgt für eine tiefe Schnittwunde. Sie wird später mit 21 Stichen genäht.

Siavash Hosseini wurde bei der Messerattacke in Solingen (D) am Nacken getroffen. Die Wunde wurde mit 21 Stichen genäht. - Screenshot WDR

«Ich bin ganz glücklich», sagt Siavash Hosseini am Wochenende nach der Attacke. «Ich könnte einer der getöteten Menschen sein.»