Sperisen steht bereits zum 4. Mal vor einem Genfer Gericht

Am Montag startet in Genf der vierte Prozess gegen den ehemaligen Polizeichef von Guatemala, Erwin Sperisen.

Erwin Sperisen gelangt nach der Bestätigung der 15-jährigen Freiheitsstrafe durch das Bundesgericht an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Gegen den ehemaligen Polizeichef von Guatemala, Erwin Sperisen, beginnt am Montag in Genf der vierte Prozess. Der schweizerisch-guatemaltekische Doppelbürger, dessen Verurteilungen aufgehoben wurden, muss sich weiterhin wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Seine Anwälte wollen in vollständig reinwaschen.

Andernfalls wollen sie den Fall erneut bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Sperisen wird beschuldigt, 2006 in Guatemala an der Tötung von sieben Häftlingen beteiligt gewesen zu sein. Dies, als die guatemaltekischen Sicherheitskräfte eine Strafanstalt stürmten, die unter die Kontrolle einflussreicher Häftlinge geraten war.

Flucht in die Schweiz 2007

Der Fall, der von zahlreichen Beschwerden ans Bundesgericht begleitet wurde, zieht sich seit mehr als zwölf Jahren hin. Der heute 54-jährige Erwin Sperisen flüchtete 2007 mit seiner Familie in die Schweiz. 2012 wurde er in Genf festgenommen. Mehr als elf Jahre verbrachte er im Freiheitsentzug, zwischen Untersuchungshaft, Hausarrest und Gefängnisstrafe.

Ursprünglich wurde Sperisen wegen zehn Morden angeklagt. Neben den sieben Häftlingen, die bei der Meuterei in der Strafanstalt Pavon starben, warf ihm die Genfer Staatsanwaltschaft auch seine Beteiligung an der Hinrichtung von drei Männern vor. Diese waren aus der Strafanstalt El Infiernieto, einem anderen guatemaltekischen Gefängnis, geflohen.

Zu lebenslänglicher Haft verurteilt

In den ersten beiden Prozessen wurde Sperisen des Mordes für schuldig befunden und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Als er zum dritten Mal in Genf vor Gericht stand, wurde ihm lediglich Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Er wurde zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Sperisen verbrachte mehr als elf Jahre im Gefängnis. Im Oktober 2023 wurde er freigelassen. Das Bundesgericht hatte seine Verurteilung aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Juni 2023 aufgehoben.

Die Strassburger Richter waren zum Schluss gekommen, dass die Präsidentin der Beschwerdekammer des Genfer Berufungsgerichts beim Prozess im April 2018 befangen war und Sperisen kein faires Verfahren erhalten hatte. Dies soll nun im vierten Prozess, der vom 2. bis am 13. September dauert, anders werden. Dieser findet erneut vor dem Berufungsgericht in Genf statt.

Im Fall von Verurteilung erneut vor EGMR

Sperisens Anwälte werden fordern, dass ihr Mandant diesmal vollständig entlastet wird. Bis zur Aufhebung seiner letzten Verurteilung durch das Bundesgericht war Sperisen in Witzwil BE inhaftiert. Heute kann er sich frei bewegen. «Er ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht verurteilt, sein Pass wurde ihm zurückgegeben und er kann ohne Einschränkung reisen», sagte sein Anwalt Giorgio Campá.

Die Anwälte von Sperisen machen deutlich, dass sie bei einer Verurteilung ihres Mandanten erneut vor den EGMR ziehen würden. Sie weisen insbesondere darauf hin, dass Sperisen als Komplize seines ehemaligen Leutnants Javier Figueroa angesehen wurde. Dieser stand jedoch in Österreich wegen derselben Taten vor Gericht und wurde 2013 freigesprochen. Sperisen sei somit zum Komplizen eines Freigesprochenen geworden, was eine «völlige rechtliche Aberration» darstelle.