Ukraine-Krieg: Schweizer (37) kämpft und sieht Kollegen sterben
Ein Westschweizer ist zum zweiten Mal in die Ukraine gereist, um dort zu kämpfen. Sein erster Einsatz endete tödlich...
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Westschweizer hat sich der «Internationale Legion der Ukraine» angeschlossen.
- Jérôme (37) wurde bei einem Einsatz verletzt und sah seinen polnischen Kollegen sterben.
- Der zweifache Vater warnt vor den Grausamkeiten des Krieges, ging aber im Juni zurück.
Am 27. Februar 2022 rief der ukrainische Präsident Selenskyj die «Internationale Legion zur Verteidigung der Ukraine» ins Leben. Tausende Freiwillige strömten anschliessend in die Ukraine, um gegen Russland zu kämpfen – heute sind es laut Schätzungen noch etwa 2000.
Einer dieser Freiwilligen Kämpfer ist der Westschweizer Jérôme (Name geändert). Wie es zu seinem Einsatz an der Front kam, erzählt der alleinlebende Vater zweier Teenager gegenüber der SRF-«Rundschau». Der Kontakt mit den ausländischen Kämpfern stellte er demnach über die Sozialen Medien her.
Im September 2022 reiste der 37-Jährige dann zum ersten Mal in die Ukraine, um sich der Legion anzuschliessen. Nach Trainings in Militärcamps wird der Vater zweiter Teenager in eine Spezialeinheit aufgenommen. Die internationale Truppe kämpft an der Front in der Region Luhansk. Einer der Einsätze endet tödlich...
Daniel aus Warschau stirbt bei Minenexplosion
Am 25 November 2022 verlassen Jérôme und seine Kameraden, darunter der Pole Daniel, den Stützpunkt. Zu diesem Zeitpunkt weiss die Truppe, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit den Russen begegnen werden.
Das Gebiet, dass sie durchqueren müssen ist vermint. Ein Minenräumer geht voraus – Daniel ist direkt dahinter. Plötzlich gibt es eine Explosion. Ein Stolperdraht hat die Mine gezündet, diese streut Stahlkugeln.
Der Minenräumer ist auf der Stelle tot. Daniel wird schwer verletzt, eine Stahlkugel trifft auch Jérôme im Gesicht. Sanitäter sind keine in der Nähe. Bei der Evakuierung habe Daniel die ganze Zeit geschrien.
«Zu sechst versuchten wir, ihn wiederzubeleben. Aber er hatte viele Minenkugeln im seinem Körper.» Jérôme und seine Kameraden tragen Daniel zu einem Schützenpanzer. Unter Artilleriebeschuss fahren sie raus aus der Kampfzone.
Daniel verliert kurz vor der Ankunft des Krankenwagens das Bewusstsein. Erneut versuchen ihn seine Kameraden wiederzubeleben. Doch es hilft nichts – Daniel stirbt. Laut Jérôme waren zu diesem Zeitpunkt fast drei Stunden seit der Minenexplosion vergangen.
Daniel war 35 Jahre alt und kam aus Warschau. Bei der Truppe war er beliebt. Er sei immer gut gelaunt gewesen, sagen seine Kameraden.
«Man ist gezwungen, einen Freund sterben zu sehen»
Nach einem heiklen Einsatz im letzten Januar hat Jérôme vorerst genug vom Krieg. Er rät heute anderen auch davon ab, in den Krieg zu ziehen. Man sollte sich das gut überlegen, meint er. «Es ist ein Gemetzel und man ist gezwungen, einen Freund sterben oder Tote zu sehen.»
Nach dem heiklen Einsatz kehrt Jérôme noch im gleichen Monat in die Schweiz zurück. Doch der Krieg lässt ihn auch hier nicht mehr los. Laut der «Rundschau» meinte er beim ersten Treffen im Juni, dass er demnächst wieder zurückgehe.
Das Risiko, sich als Schweizer strafbar zu machen, wenn er in einem anderen Land Militärdienst leistet, nimmt er dabei in Kauf. «Ich gehe zurück, weil ich etwas aus meinem Leben machen möchte. Ich finde keine Arbeit. Zuhause langweile ich mich», sagt er.
Jérôme ist ausgebildeter Milchtechnologe, er lebt jedoch von der Sozialhilfe. Zu seiner Familie hat er wenig Kontakt. Seine Kindheit verbrachte er in einem Heim. In dem Bericht heisst es: «Er wirkt, als hätte er wenig zu verlieren. Doch was genau ihn antreibt, bleibt unklar.»
Seit Sommer zurück in der Ukraine
Diesen Sommer ist Jérôme schliesslich zurück in die Ukraine gereist. Seine frühere Einheit existiert nicht mehr. Viele ausländische Kämpfer haben das Land nämlich wieder verlassen – zwischen 200 bis 250 sind Schätzungen zufolge gestorben.
Jérôme versucht sich einer neuen Truppe anzuschliessen. In Nachrichten erwähnt er gegenüber den «Rundschau»-Journalisten, dass er sich bei verschiedenen Einheiten beworben habe und jetzt abwarten müsse.
Doch er zögert offenbar auch – er wisse nicht, ob er wieder kämpfen soll, hat er später mitgeteilt.