Gletscher Initiative: Nationalrat nimmt direkten Gegenvorschlag an
Am Donnerstag wurde der direkte Gegenvorschlag zur Gletscher Initiative angenommen. Dies trotz Einspruch von Grünen und SVP vom Nationalrat.
Das Wichtigste in Kürze
- Den direkten Gegenvorschlag zur Initiative nahm der Nationalrat am Donnerstag mit 104 zu 67 Stimmen bei 21 Enthaltungen an.
- Die Initiative anzunehmen, empfiehlt er nicht.
Der Nationalrat hat am Donnerstag den direkten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative angenommen. Dies geschah gegen den Willen von Grünen und der Mehrheit der SVP-Fraktion. Er empfiehlt nicht, die Initiative anzunehmen.
Gletscher Initiative will klimaneutrale Schweiz ab 2050
Die Nein-Stimmen kamen von den Grünen und Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Enthaltungen fast durchwegs aus der SVP. Mit 99 zu 89 Stimmen und bei 4 Enthaltungen beschloss der Rat seine Stimmempfehlung: ein Ja zum Gegenvorschlag, ein Nein zur Initiative.
Die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» verlangt eine klimaneutrale Schweiz ab 2050. Ab 2050 sollen auch keine fossilen Brenn- und Treibstoffe mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Ausnahmen soll es nur geben, wenn keine andere technische Variante zur Verfügung steht.
Regierung will fossile Brennstoffe nicht verbieten
Grüne und SP und GLP stellten sich hinter das Volksbegehren. Mitte, FDP, aber auch GLP und SP unterstützten den weniger scharfen direkten Gegenvorschlag des Bundesrates. Anders die Grünen: Ihnen ging dieser Vorschlag zu wenig weit. Die SVP schliesslich sprach sich gegen den Gegenvorschlag und die Initiative aus.
Zwar will auch die Regierung mit ihrem direkten Gegenvorschlag das «Netto Null»-Ziel 2050 in die Verfassung schreiben. Fossile Brenn- und Treibstoffe will sie nicht verbieten, sondern den Verbrauch senken. Dies, soweit technisch machbar, für die Wirtschaft tragbar und mit der Sicherheit des Landes vereinbar.
Den Gegenvorschlag des Bundesrates passte der Nationalrat allerdings in mehreren Punkten an. Umstritten war, ob ein linearer Absenkpfad für Treibhausgasemissionen vorgegeben werden soll. So beantragte es der Bundesrat.
Minderheit wollte «Netto Null» bereits 2040
Der Mehrheit der Umweltkommission (Urek-N) war dies aber zu wenig differenziert. Sie wollte das Wort «linear» streichen mit Blick auf die technische Entwicklung und unterschiedliche Voraussetzungen einzelner Branchen. Eine Minderheit hätte zunächst vorgehen wollen wie der Bundesrat.
Sie zog aber ihren Antrag zurück zu Gunsten einer von Marco Romano (Mitte/TI) vorgeschlagenen verbindlicheren Formulierung. Diese beinhaltet Zwischenziele und eine «über die Zeit gleichmässigen Reduktion der Emissionen». Diese bevorzugte der Rat eindeutig, mit 187 zu 2 Stimmen.
Eine zweite Minderheit hätte «Netto Null» bereits 2040 und spätestens 2050 erreichen wollen. Die Zahl 2040 statt 2050 zu setzen sei nicht kosmetisch, sondern es sei dringend nötig. So äusserte sich Sprecherin Delphine Klopfenstein Broggini (Grüne/GE) dazu. Die Minderheit unterlag mit 110 zu 82 Stimmen.
Einige Ratsmitglieder wollen Zeit schinden
Erfolg hatte auch ein Antrag von Jon Pult (SP/GR), der für die Berggebiete spezifische Hilfe bei der Dekarbonisierung forderte. Auf die Berg- und Randregionen Rücksicht nehmen will indes auch der direkte Gegenvorschlag des Bundesrates.
Roger Nordmann (SP/VD) hätte gewollt, dass der Bund spätestens sechs Monate nach einem Ja zum Verfassungsartikel ein Ersatzprogramm lanciert. Dieses den Ersatz von Gas-, Öl- und Elektrowiderstand-Heizungen regeln. 500 Millionen Franken pro Jahr hätten zur Verfügung stehen und das Programm über sieben Jahre laufen sollen. Sein Antrag wurde mit 95 zu 92 Stimmen knapp abgelehnt.
Etliche Ratsmitglieder bekannten indes, aus taktischen Gründen für die vom Bundesrat beantragten Verfassungsbestimmungen zu stimmen. Sie wollten damit Zeit gewinnen für einen indirekten Gegenvorschlag. An einem solchen arbeitet zurzeit die Umweltkommission des Nationalrates (Urek-N), und er war sozusagen die Unbekannte im Raum.
Auf dem Gesetzesweg will die Urek-N rascher zum «Netto Null»-Ziel kommen als mit dem Umweg über die Verfassung. Dazu äussern kann sich der Rat allerdings erst im Sommer 2022. Stillschweigend verlängerte der Rat auf Antrag der Urek-N die Behandlungsfrist für die Initiative bis Anfang August 2023.
Die Vorlage geht nun an den Ständerat.